Von Ralf Keuper

Die Philosophie versteht unter Adiaphora Dinge, die aus ethischer Sicht neutral sind. Sie sind weder gut noch böse.

Interessante Gedanken zu dem Thema lieferte der Vegetations- und Pflanzenökologe Volkmar Vareschi in seinem Buch Vegetationsökologie der Tropen.
Darin beschreibt er die Schlüsselstellung der sog. idioformen Merkmale für die Wuchsform und Entwicklung einer Pflanze bzw. Pflanzenart:

Die Wuchsform ist durch die Merkmale gekennzeichnet, die auf dem genetischen Code der Pflanze beruhen. Man spricht von Organisationsmerkmalen oder, treffender noch, >idioformen< Merkmalen. Sie sind das Ergebnis unzähliger Mutationsschritte, die ihre phylogenetischen Ahnen einmal vollzogen und dann an die Nachkommen vererbt haben. … Die Umwelt freilich hat .. keinen direkten Einfluss auf die Bildung idioformer Merkmale, sie kann nur auswählen unter ihnen, wie sie bereits gegeben sind.

Nicht alle Merkmale einer Pflanze werden im Verlauf der Mutationen aktiviert bzw. selektiert. Es bleiben Merkmale, für die – nach dem Stand der Forschung jedenfalls – kein Bedarf besteht – umweltneutrale Merkmale, die Vareschi als Adiaphora bezeichnet.

Aus dem Angebot idioformer Merkmale werden die einzelnen konformen selektioniert. Es bleibt dabei immer an Rest von Merkmalen, die weder nützlich noch schädlich sind. Solche umweltneutralen Merkmale nennen wir – in Übertragung eines Ausdrucks, den die Griechen – aber auch Melanchthon und Fichte handhabten – >Adiaphora<. Adiaphora können sehr augenfällig sein, sie können das Resultat hartnäckiger orthogenetischer Entwicklung durch ganze Erdzeitalter hindurch und doch ökologisch belanglos geblieben sein.

Das wiederum hat Ähnlichkeit mit der Exaptation nach Gould und Vrba wie zu dem Wert des Funktionslosen im Sinne Adolf Portmanns.

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