Von Ralf Keuper

Die Süddeutsche Zeitung, genauer das Feuilleton, hat am Freitag (18.07.2014) eine Artikelserie gestartet, die sich mit den Algorithmen als der neuen Weltsprache beschäftigt. Den Anfang machte Adrian Kreye mit seinem lesenswerten Beitrag Die neue Weltsprache.

Der Vollständigkeit halber muss man an dieser Stelle hinzufügen, dass es der kürzlich verstorbene Frank Schirrmacher war, der das Thema Macht der Algorithmen in zahlreichen Beiträgen, Interviews und in seinem Buch Payback bereits vor Jahren aufgriff und in die öffentliche Diskussion einführte.

Um so besser und dankenswerter, dass die SZ diesen wichtigen Teil seines “Erbes” weiter führt.

In Anlehnung an Wittgenstein kann man Algorithmen auch als Netze bzw. Grammatik interpretieren, die wir über die Welt legen.

Führende Vertreter der Computerwissenschaft, wie Alan Kay, haben ebenfalls vor etlichen Jahren die Frage der Bedeutung der Datenverarbeitung für die Gesellschaft, für das Bildungswesen diskutiert.

So schreibt Kay:

Was aber ist Computer-Kompetenz? Nicht die Fertigkeit, ein Textverarbeitungsprogramm, einen elektronischen Betriebsbogen oder eine moderne Benutzer-Schnittstellen einzusetzen – das ist Papier-und-Bleistift-Kompetenz. Datenverarbeitungs-Kompetenz ist auch noch nicht die Fähigkeit zu programmieren. Die lässt sich immer erwerben und ist nichts Erhabenderes als das Einüben der Grammatik statt Schreibenlernen.

Computer-Kompetenz ist eine so tiefe Beziehung zur Datenverarbeitung, dass das, was auf diesem Gebiet dem Lesen und Schreiben entspricht, fließend und mit Vergnügen getan werden kann. Wie in allen Künsten muss die Liebe zur Sache im Spiele sein. Wenn wir das lebenslange Lernen in Kunst und Wissenschaft als Keim der persönlichen und gesellschaftlichen Entwicklung wertschätzen, sollten wir uns dann nicht ebenso anstrengen, die Datenverarbeitung zu einem Teil unseres Lebens zu machen? (Quelle: Software, in: Computer-Anwendungen, Spektrum der Wissenschaft: Verständliche Forschung, 1989)

Dazu passt der aktuelle Beitrag The Logic of Code von Greg Satell.

Die Artikelserie in der SZ wurde gestern (Samstag) mit dem Beitrag Kontinent der Zahlen von Johannes Boie fortgesetzt. Dieselbe Ausgabe enthält auch ein längeres, anregendes Interview “Logik ist mächtig” mit dem Informatiker und Logiker Helmut Veith.

Auf die Frage, ob wir künftig nicht auch weiterhin der Intuition bedürften, antwortete Veith:

Ganz sicher. Für existenzielle Extremsituationen ebenso wie für die Schönheit mathematischer Formeln. Aber klar ist auch, dass die Informatik in den nächsten Jahrzehnten eine Schlüsselwissenschaft werden wird, die ganz neue philosophische, juristische und politische Fragen aufwirft. Der öffentliche Diskurs ist da noch nicht weit genug.

Was die Rolle der Intuition für die Wissenschaft betrifft, deckt sich die Ansicht von Veith nach meinem Eindruck in weiten Teilen mit der von Tor Norretranders, wie er sie in seinem Buch Spüre die Welt. Die Wissenschaft des Bewusstseins kund getan hat. Ähnliches lässt sich auf von den Simple Heuristics von Gerd Gigerenzer, Peter Todd und der ABC Research Group behaupten. Zu den Grenzen der Logik: Führen logische Widersprüche automatisch zu Konsequenzen? (Rudolf Eucken)

Weitere Informationen:

Daniel Hillis: Computerlogik. So einfach arbeiten Computer

Friedrich L. Bauer: Kurze Geschichte der Informatik

Peter Bexte und Werner Künzel: Allwissen und Absturz. Der Ursprung des Computers

Friedrich Kittler: Computeranalphabetismus

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