Von Ralf Keuper
In diesem Jahr jährt sich zum 200. Mal der Geburtstag von Otto von Bismarck, von 1866 bis 1890 Ministerpräsident und zuletzt Reichskanzler unter König Wilhelm I, dem späteren Kaiser Wilhelm I und Kaiser Wilhelm II. Der Vollständigkeit halber sei auch die kurze Regentschaft von Kaiser Friedrich III erwähnt, die jedoch nur 99 Tage währte. 
Bismarck, der als “Eiserner Kanzler” in die Geschichte einging, wusste schon zu Lebzeiten zu polarisieren. Seine Stunde schlug, als König Wilhelm I von Preußen ernsthaft mit dem Gedanken spielte, seine Abdankung einzureichen. Grund war die ablehnende Haltung im preußischen Landtag gegenüber der Heeresreform des Königs. Bismarck, zu der Zeit Gesandter Preußens in Paris, bekam davon Wind und entschloss sich ohne zu zögern, den König persönlich aufzusuchen und ihm seine Dienste anzubieten. König Wilhelm I ging auf das Angebot ein, ohne zu ahnen, dass diese Arbeitsbeziehung bis zu seinem Lebensende anhalten sollte. Bismarck, monarchistisch vom Scheitel bis zur Sohle, konnte mit der parlamentarischen Demokratie nur sehr wenig anfangen. Für ihn war die Treue zum König und zu Preußen das Maß der Dinge. Selbst Deutschland stand demgegenüber zurück. Diese Haltung änderte Bismarck erst später. Bismarck ging mit seinen politischen Gegnern, wie den Liberalen, den konservativen, den Katholiken und vor allem den Sozialdemokraten nicht zimperlich um. Mehrmals löste er den Landtag auf, um ungehindert durchregieren zu können. Solange sein Herrscher hinter ihm stand, konnte er frei agieren und musste keine allzu großen Rücksichten nehmen. 
In der Außenpolitik verfolgte Bismarck das, was wir heute als Expansionspolitik bezeichnen würden. In seine Amtszeit fielen drei Kriege, die allesamt siegreich beendet wurden. Der größte Triumpf war sicherlich der Sieg 1870/71 über Frankreich, der den Weg zur Einigung Deutschlands ebnete. Danach begann der Stern Bismarcks langsam zu sinken. Bismarck betrachtete die Expansion des Deutschen Reiches mit dem Sieg über Frankreich und die Annexion von Elsaß-Lothringen als abgeschlossen. Weitere Gebietsansprüche hatte er nicht; auch an Kolonien war ihm nicht sonderlich gelegen. Mit der Übernahme der Herrschaft durch Wilhelm II geriet Bismarck immer mehr ins Abseits. Der ebenso forsch auftretende wie unsichere Wilhelm II. sah in Bismarck ein Relikt vergangener Zeiten, das ihn daran hindere, Deutschland zur Weltmacht zu machen. Nach einigen Querelen und internen Intrigen gegen ihn, reichte Bismarck auf Druck Wilhelm II sein Rücktrittsgesuch ein, das der Kaiser annahm. 
Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Bismarck auf seinem Gut Friedrichsruh und im angrenzenden Sachsenwald; ein Geschenk Kaiser Wilhelm I für seine Verdienste um Preußen und des Deutschen Reiches. In diesen Jahren verfasste Bismarck seine Memoiren, die eine Abrechnung mit dem von ihm verachteten Kaiser Wilhelm II waren. Wilhelm II hielt er für eine Gefahr, für jemanden, der alles kaputt machen würde. Zwanzig Jahre nach seinem Tod, so Bismarck, wäre das Deutsche Kaiserreich Geschichte. Auslöser des nächsten großen Krieges in Europa, so Bismarck weiter, werde irgendein mehr oder weniger unwichtiges Ereignis auf dem Balkan sein. 
Er sollte in allen Punkten Recht behalten. 
Es fällt schwer, Bismarck abschließend zu beurteilen. Sicherlich war er kein Demokrat. Die Sozialgesetzte führte er nur ein, um der Sozialdemokratie den Wind aus den Segeln zu nehmen, was letztlich scheiterte. Er unterschätzte die Dynamik der Industrialisierung und des Kapitalismus. Es war nicht mehr seine Welt. Was seine eigene Rolle betraf, so war Bismarck bescheiden. Geschichte, so seine Überzeugung, könne nicht gemacht werden. Es reicht schon, wenn der Staatsmann die Gelegenheiten, die sich ihm bieten, am Schopf packt. Er verstand sich mehr als Geburtshelfer, denn als Erzeuger. In gewisser Weise ein Politiker mit Augenmaß m Sinne von Max Weber. Nicht nur daran unterschied er sich von seinem Nachfolger, der 1933 das Amt des Reichskanzlers antrat. 
Weitere Informationen:

Bismarck-Biografie: Der Reichskanzler als Hebamme

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