Von Ralf Keuper

Für den Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel war die Geschichte Ausdruck des Weltgeistes. Demnach verfolgt die Geschichte einen Plan, der auf den Prinzipien der Vernunft beruht. Sind diese erst einmal bekannt, ist die Zukunft vorhersehbar. Nach Hegel glaubte Oswald Spengler mit mathematischer Strenge den Beweis für den Untergang des Abendlandes führen zu können.

Hätten Hegel und Spengler schon damals die technischen Möglichkeiten von heute zur Verfügung gestanden, vielleicht hätten sie ein ähnliches Projekt ins Leben gerufen wie FuturICT
Dessen Vordenker Dirk Helbing verspricht nichts weniger als die Berechenbarkeit der Welt und die Vorhersage der Zukunft. Als Ideal schwebt ihm dabei eine Gesellschaft vor, die ohne Reibungen funktioniert. Dysfunktionen und Konflikte würden demzufolge der Vergangenheit angehören, könnten allein schon qua definition nicht mehr vorkommen

Schöne neue Echtzeitwelt? Reibungslos funktionierende Automaten als gesellschaftliche Utopie? Planwirtschaft 2.0?

Eher schon alter Wein in neuen Schläuchen. 

Einer der schärfsten Kritiker von Hegels Geschichtsphilosophie war Karl R. Popper, der diese Denkrichtung auch als Historizismus bezeichnete und als totalitär brandmarkte. Einige Jahrzehnte vorher äußerte sich Jacob Burckhardt in ähnlicher Weise zur Geschichtsphilosophie Hegels mit ihrem Anspruch, in der Geschichte das Wirken des Weltgeistes erkennen zu können:

Wir sind aber nicht eingeweiht in die Zwecke der ewigen Weisheit und kennen sie nicht. Dieses kecke Antizipieren eines Weltplanes führt zu Irrtümern, weil es von irrigen Prämissen ausgeht. (in: Weltgeschichtliche Betrachtungen)

Den Weltgeist nun in Algorithmen zu packen und zu behaupten, die Zukunft sei vorhersehbar, ändert nichts an den fundamentalen Grenzen der menschlichen und  technischen Erkenntnisfähigkeit, die der Mathematiker Kurt Gödel in seinem Theorem aufgezeigt hat. Demnach kann keine Theorie vollständig und konsistent zugleich sein. Ist sie vollständig, ist sie nicht konsistent, d.h. es fehlen wichtige Elemente, ist sie dagegen konsistent, ist sie nicht vollständig, was letztlich aus dasselbe hinausläuft.

Übertriebenen Erwartungen an die Aussagekraft der Erforschung komplexer Systeme erteilt Tor Norretranders, ebenfalls unter Berufung auf das Gödelsche Theorem, in seinem Buch Spüre die Welt. Die Wissenschaft des Bewußtseins einen Dämpfer.

Das Gedicht Hommage an Gödel von Hans Magnus Enzensberger sei daher den Sozialkybernetikern von FuturICT ans Herz gelegt.

Schreibe einen Kommentar