Von Ralf Keuper

Die Machtpolitik, die den Einsatz militärischer Gewalt zur Durchsetzung der Interessen eines Staates, eines Königs oder Fürsten salonfähig machte, und deren Prinzipien als Erster Niccolo Machiavelli niederschrieb, erlebte während des dreißigjährigen Krieges ihre eigentliche Geburtsstunde.

So jedenfalls argumentiert Alex Natan in seinem Buch Graue Eminenzen. Geheime Berater im Schatten der Macht. Als Paradebeispiel eines Diplomaten, der im Hintergrund geschickt die Fäden zu ziehen wusste und mit gezielten Indiskretionen den Interessen seines Königs Geltung verschaffte, war der Kapuzinermönch Père Joseph.

Sein diplomatisches Glanzstück gelang dem engsten Vertrauten des Kardinals Richelieu im Vorfeld und während des Regensburger Reichstages, als er zunächst Wallenstein bei einem Besuch dessen geheime Pläne entlockte, um sie dann gezielt auf dem Reichstag einsetzen und so einen Keil zwischen den Kaiser und seinen General treiben zu können.

Zwar selbst gottesfürchtig und der katholischen Kirche ergeben, scheute Père Joseph nicht vor Allianzen mit protestantischen Machthabern zurück, vor allem dann nicht, wenn sich die Abkommen gegen die Habsburger richteten.

Insofern war Père Joseph ein Kind seiner Zeit, oder einer Zeit, die bereits ihre Schatten voraus warf: Bündnisse, ganz gleich mit welchem Partner, waren so lange gut, als sie dem Zweck des eigenen Staates oder Souveräns dienten.

Gegen Endes seines Lebens litt der Mönch zunehmend unter den widersprüchlichen Rollen, die er mit großem Geschick und nicht immer ohne Genuss zu spielen verstand – ein begnadeter Machtpolitiker wider Willen?

Alex Natan liefert ein der Wahrheit wohl recht nahe kommendes Charakterbild des Père Joseph:

Pére Joseph war ein Meister der Machtpolitik, ein Intellektueller, der bezwingender Kombinationen und Konzeptionen fähig gewesen ist, einer der ersten modernen Diplomaten großen Stils, der einen undefinierbaren Sinn für die Manipulation der Geschicke dieser Welt besaß. Sein Leben blieb das Rätsel eines Menschen, der >>vertraut war mit den höchsten Formen christlicher Gnosis, mindestens die anfänglichen Zustände mystischer Gottesvereinigung erlebte und daneben in Hofkabalen und internationale Diplomatie verwickelt, eifrig mit politischer Propaganda beschäftigt war, deren unmittelbare Ereignisse an Tod, Elend und sittlicher Entwürdigung überall im Europa des 17. Jahrhunderts deutlich zu sehen waren; einer Politik, unter deren Folgen die Welt noch heute leidet.<< (Aldous Huxley).  ebd.

Nachfolger Père Josephs in Frankreich während der folgenden Jahrhunderte waren der Polizeiminister Joseph Fouché, dem Stefan Zweig eine Biografie widmete, und, wenngleich keine graue Eminenz im eigentlichen Sinne, Talleyrand.

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