Von Ralf Keuper 

Lange Zeit galt es bei den Spitzen der deutschen Automobilindustrie als geradezu absurd, dass ein Newcomer, ein Startup aus Kalifornien, den Automobilmarkt mit einem Elektroauto aus Massenproduktion erschüttern könnte. Wie sollten Softwareentwickler und Nerds in der Lage sein, die über Jahrzehnte gewachsene Ingenieurskunst, deren Krönung zweifellos das German Engineering ist, zu übertreffen? Vielleicht ist die Tatsache, dass Tesla von Außenseitern ins Leben gerufen wurde, der entscheidende Vorteil, oder wie Mario Herger in Das Silicon Valley Mindset schreibt:

Disruptive Innovation wird aber vor allem von Nichtexperten geschaffen und überrascht deshalb oft die eigentlichen Experten. Wei sie gut erklären können, warum etwas nicht klappen wird, sind die völlig verblüfft, wenn jemand einen kombinierten, innovativen Ansatz hat, der die Rahmenbedingungen ändert. Darum werden diese Ansätze von den Experten so lange ignoriert, bis es zu spät ist.

Übrigens: Auch der Erfinder des Verbrennungsmotors, Nicolaus Otto, war kein Ingenieur, sondern Kaufmann, ein schnöder Handelsreisender …

Herger schreibt an anderer Stelle:

Automobilhersteller und Transportdienstleister sehen sich seit geraumer Zeit von Silicon-Valley-Firmen unter Druck gesetzt. Firmen wie Tesla Motors, Google, Apple oder das mittlerweile dichtgemachte Better Place bringen disruptive Technologien auf den Markt. Uber, Lyft und andere Ridesharing-Plattformen ändern die Art, wie wir Transportdienstleistungen erleben. Was diese Firmen von traditionellen Automobilbauern unterscheidet, sind die Hintergründe der Firmengründer. Sie kommen alle aus dem Softwaresektor und betrachten die Probleme als Softwareproblem. Die Wertschöpfung liegt nicht mehr so sehr im “Verbiegen von Blech”, sondern im Programmieren von Softwarecode.

Wer sich die Filmdokumentation Die Herstellung des Elektroautos Tesla Model S anschaut, gewinnt jedenfalls nicht den Eindruck, dass hier Nicht-Könner am Werk sind.

Was ist geschehen? Kann es sein, dass es Menschen gibt, für die die Bedienung eines Automobils kein Anlass zur Freude ist?; vielleicht wird das Automobil nicht einmal mehr als Status-Symbol benötigt?

Stattdessen wird das Auto zur Kommunikationsplattform degradiert. Noch mal Mario Herger:

Ein Auto soll zwischenmenschliche Verbindungen in der physischen Welt ermöglichen. Das Auto ist ein “Connector”. Ich fahre nicht in die Stadt, weil ich Freude am Fahren habe, sondern weil ich mich mit Freunden treffe. … Ein iPhone ist ein virtueller Connector zwischen Menschen. Wenn ich mit dem Auto fahren muss, kann ich mich in diesem Moment nicht mit ihnen verbinden, weil ich auf den Verkehr achten muss.

Das ist für viele in Wolfsburg, München, Ingolstadt und Stuttgart Neuland. Der Ex-Chef von Daimler, Edzard Reuter, bezeichnete den Tesla in einem Interview als einen Witz. Also wie ein Witz wirkt das auch mich jedenfalls nicht; aber – Technokraten sehen das womöglich anders bzw. sie haben ihren ganz eigenen Humor ;-).
Die Vertreter der deutschen Automobilindustrie wurden in der Vergangenheit nicht müde zu betonen, dass sie auch im Bereich Elekrofahrzeuge schon längst führend sind. Eine Dokumentation in der ARD kommt da zu einem etwas abweichenden Befund:

Mittlerweile setzt Tesla mit dem Modell 3S zum nächsten und wohl entscheidenden Sprung an. Mit dem Elektroauto, das 31.000 Euro kosten und eine Reichweite von mindestens 346 Kilometer haben soll, will das Unternehmen den Massenmarkt erobern. Auch deutsche Medien fangen an, das Phänomen Tesla ernst zu nehmen, wenngleich mit einem skeptischen Unterton, wie in Wie Tesla die Autoindustrie weltweit unter Druck setzt.

Selbstverständlich birgt das Geschäftsmodell von Tesla Risiken: Es ist letztlich eine Wette, ein Wettlauf gegen die Zeit. Gelingt es Tesla, die nötige Stückzahl von Fahrzeugen zu produzieren, um in die Gewinnzone zu kommen, kann die Batterieleistung noch weiter erhöht werden, dann dürfte es für Daimler, Volkswagen, BMW & Co. sehr eng werden. Denn am Ende des Tunnels warten schon die autonomen Fahrzeuge, die jedoch nach Ansicht einiger Automanager, wie dem jetzigen VW-Chef Müller, nur ein Hype sind.

Ein Gedanke zu „Tesla – Beginn einer Zeitenwende?“

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