Wer zum ersten Mal an einem Korallenriff getaucht hat, wird es niemals vergessen. Schon allein die Bewegung in dem sonnendurchfluteten, klarem Wasser, das Korallen bevorzugen, ist ein Vergnügen. Nichts gibt es an Land, das einen auf die Fülle von Formen und Farben der Korallen vorbereitet. Sie gleichen zart blau überhauchten Gewölben, Fächern und Geweihen oder auch blutroten Orgelpfeifen. Einige sehen wie Blumen aus, streicht man jedoch darüber, sind sie hart wie Stein. Häufig wachsen verschiedene Korallenarten nebeneinander, vermischt mit Seefedern und See-Anenomen, deren lange Tentakeln in der Strömung wogen. Manchmal schwimmt man über große Wiesen von Korallen, die nur einer Art angehören. Dann wieder entdeckt man im tieferen Gewässer einen mit Fächern und Schwämmen behängten Korallenturm, der sich weiter erstreckt, als man in der dunkelblauen Tiefe zu sehen vermag.
Aber wenn man nur am Tag schwimmt, wird man kaum die Organismen zu Gesicht bekommen, die diese erstaunliche Szenerie hervorgebracht haben. Nachts, mit einer Taschenlampe in der Hand, sieht man die Korallen verändert. Die scharfen Konturen der Kolonien sind jetzt von einem schillernden Farbenspiel verschleiert. Millionen winziger Polypen recken sich aus den Kalkgehäusen, und ihre feinen Tentakeln suchen nach Nahrung.
Die Korallenpolypen haben nur einen Durchmesser von wenigen Millimetern, aber sie arbeiten in Kolonien zusammen und haben die größten tierischen Bauten geschaffen, ehe der Mensch überhaupt zu bauen begann. Das Great Barrier Reef, das über 2000 Kilometer parallel zur australischen Ostküste verläuft, ist sogar vom Mond aus zu erkennen. Wäre vor etwa 500 Millionen Jahren ein Astronaut eines anderen Planeten an der Erde vorbeigeflogen, hätte er im blauen Ozean leicht einige neue, rätselhafte türkisfarbene Gebilde beobachten können und hätte den Schluss gezogen, dass das Leben auf der Erde begonnen habe.
Quelle: David Attenborough. Das Leben auf unserer Erde. Vom Einzeller zum Menschen. Wunder der Evolution.
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