Von Ralf Keuper

Die amerikanische Politik ist für Europäer, insbesondere für Deutsche, nur schwer zu verstehen bzw. zu akzeptieren. Viele glauben, mit Trump sei der Untergang des Abendlandes nahe. Da ist es irgendwie beruhigend,  Amerikanische Wechselbäder. Beobachtungen und Kommentare aus vier Jahrzehnten zu lesen, welche die ehemalige Herausgeberin der ZEIT, Marion Gräfin Dönhoff, zwischen 1951 und 1983 anfertigte. So neu ist die derzeitige Situation dann doch nicht; die Herausforderungen in der Vergangenheit, man denke an Kennedy/Chrustschow, waren gewiss nicht geringer als heute.

Hier einige charakteristische Passagen:

Juni 1962: Über das angespannte deutsch-amerikanische Verhältnis zu der Zeit:

“Ihr benehmt euch wie eine Frau, die einen immer wieder von neuem fragt: “Liebst du mich auch wirklich?”, meinte James Reston von der New York Times. Und im State Department hieß es bitter: “Was eigentlich berechtigt die Deutschen dazu, unsere Vertrauenswürdigkeit immer wieder in Zweifel zu ziehen? Kann man so miteinander umgehen? Muss das nicht auf Dauer jede Partnerschaft kaputt machen?

Dezember 1968: Die Amerikaner zweifeln an sich selbst. Ratlosigkeit unter den liberalen Intellektuellen

Mir schien, dass die kritische Selbsterforschung, die intellektuelle Ratlosigkeit, der plötzlich entwickelte Sinn für das Tragische, Amerika ganz neue Perspektiven erschlossen hat. Und ich glaube, dass die Verzweiflung, die man in vielen Gesprächen spürt, nicht Schwäche bedeutet, sondern dass ganz im Gegenteil dieses Volk, das so viel Idealismus und so viel ungebrochene Kraft besitzt, um eine Dimension reicher werden wird.

Dezember 1971: Eine Weltmacht wird müde. Die Amerikaner sind es leid, die Last aller anderen zu tragen

Europa und der Nahe Osten werden weiterhin als Interessengebiete erster Ordnung betrachtet; wieweit auch anderwärts der Rückzug gehen mag, sie werden davon nicht betroffen sein. Die Allianz in Europa wird weiter gepflegt. Doch werden die Europäer – das ist das Neue – nun zum erstenmal ihr Schicksal selber in die Hand nehmen müssen. Amerika ist bereit, jeden Vorschlag, der aus Europa kommt, zu prüfen, und es ist auch bereit zu helfen, nur Führung dürfen wir derzeit von Washington nicht erwarten. Amerika ist müde, ist desillusioniert und ohne Vision.

März 1983: Wenn Hysterie die Vernunft übermannt

Wann immer in Amerika wieder eimal die ideologische Phase beginnt, läuft es vielen Europäern kalt den Rücken herunter, weil man nie weiß, wohin dies führt. Aber man sollte einen Trost nicht vergessen: Der Wechsel kommt sicher, und die nächste Phase ist dann wieder von Pragmatismus bestimmt – nur weiß man nie, wie lange es dauert bis dahin.

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