Der Anthropologe Bronislaw Malinowski begab sich Anfang des 20. Jahrhunderts, anders als die meisten seiner Kollegen, für seine Forschungen direkt zu den „Wilden“ und beschränkte seine Forschungen nicht auf das Studium am Schreibtisch. Das brachte ihm auch den Beinamen „Vater der Feldforschung“ ein. Die sehenswerte Filmbiografie der BBC schildert sein bewegtes Forscherleben.

Malinowski war getrieben von dem Drang, als Immigrant in die obere Gesellschaft Großbritanniens aufgenommen zu werden. Das Mittel dazu sollte sein Intellekt sein. Er beschloss daher, ein großer Gelehrter zu werden. 1910 nahm er sein Studium der Anthropologie auf. Dabei kam er zu der Überzeugung, dass die bisherigen Forschungen wissenschaftlichen Ansprüchen, wie er sie von seinem vorherigen Studium der Mathematik und Physik gewohnt war, nicht genügten. Die Empirie kam ihm deutlich zu kurz, die Schlussfolgerungen beruhten zu sehr auf Annahmen und subjektiven Urteilen.  1914 reiste Malinoswki für Feldforschungen nach Papua Neuguinea. Während seiner Beobachtung des Totenkults, kam ihm die Erkenntnis, dass es sich dabei weniger um einen religiösen Kult, sondern eher um eine Art Party handelte, obwohl die Eingeborenen auf Nachfrage den religiösen Charakter der Zeremonie beteuerten. Daraus folgerte Malinowski, dass es weniger wichtig ist, was die Menschen sagen, als was sie tatsächlich tun. Er beschloss, mit den Eingeborenen zu leben, um sie studieren zu können und als participant observer ihren Standpunkt kennen zu lernen.

Seine wohl größte wissenschaftliche Entdeckung während dieser Zeit war der Kula-Kult.  Dabei handelt es sich um ein hoch komplexes und anspruchsvolles Ritual, das dazu diente, stabile soziale Netzwerke über weite Distanzen hinweg zu pflegen.

1918 kehrte Malinowksi nach Europa zurück. 1922 veröffentlichte er die Ergebnisse seiner Forschungen in dem Buch Argonauten des westlichen Pazifik, das auch als sein Hauptwerk gilt.

Für das damalige Europa waren die Erkenntnisse ein Schock. Eingeborenen galten nicht als primitive Wilde, sondern als gebildete und kultivierte Menschen. Ihre Gesellschaften waren auf ihre Weise ebenso komplex wie die unseren. Zudem enthielten sie erstaunliche Parallelen zu unserer (westlichen) Gesellschaft mit ihren Ritualen und Kulthandlungen wie z.B. im Sport und der Religion.

Malinowski glaubte, die treibende Kraft aller menschlichen Kultur gefunden zu haben. Jede Kultur hat einen bestimmten Zweck, erfüllt eine bestimmte Funktion. Der Funktionalismus war geboren.

Sein Werk brachte Malinwoski die ersehnte Anerkennung. Er starb als geschätztes Mitglied des britischen Establishments.

Als im Jahr 1967 seine Tagebücher auftauchten, war die Verwunderung, ja Bestürzung groß. Viele seiner Eintragungen enthielten rassistische und abwertende Äußerungen über die Eingeborenen. Einige sehen darin eher ein generelles Problem seiner Person, Ausdruck seines Hasses auf die Menschheit wie auch seines Selbsthasses. Letztlich war auch er nur ein Gefangener seiner Zeit und Kultur.

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