Heute ist es die Regel, dass nicht gemessen wird, wie lange ein Ereignis wirklich dauert, sondern dass die Dauer dem Ereignis selbst vorgegeben wird. Es wird nicht gesagt: Diese Arbeit soll getan werden, und wenn sie fertig ist, kann man im Nachhinein messen, wie lange sie gedauert hat (Das wäre Ereigniszeit). Es wird vielmehr gesagt, die Arbeit soll in zwei Stunden fertig sein, wobei jedoch offenbleibt, ob diese Arbeit wirklich in den zwei Stunden abzuschließen ist oder ob nicht eher vier Stunden dafür benötigt werden. Wenn sie dennoch in zwei Stunden abgeschlossen werden muss, entsteht Stress, kreative Alternativen können nicht mehr ausprobiert werden, nötige Informationen waren nicht eingeholt und auch Pausen können nicht mehr gemacht werden. Vielleicht wird die Arbeit auf diese Weise wirklich in zwei Stunden fertig, doch die Qualität dieser Arbeit und das Ergebnis lassen wahrscheinlich zu wünschen übrig. Im Umgang mit der Natur und anderen Lebewesen gilt dasselbe: Früher wurde ein Schwein geschlachtet, wenn es zwei Zentner wog. Das konnte je nach Rahmenbedingungen nach einem Jahr oder nach eineinhalb Jahren der Fall sein. Das war Ereigniszeit. Heute wird dem Schwein vorgeschrieben, in fünf Monaten zwei Zentner zu wiegen. Das Schwein wird gedopt, mit Hormonen gespritzt und an der freien Bewegung gehindert, damit das Ereignis innerhalb der vorgeschriebenen Zeit stattfindet.

Quelle: Zeit als Lebenskunst, Autor: Olaf Georg Klein