Auch das Gesellschaftsverhältnis ist der Sprache keineswegs äußerlich. Gesellige – und ungesellige – Beziehungen sprechen sich fortwährend in der Sprache aus, die wir sprechen. Diese Sache befindet sich nicht irgendwo draußen, ist der Sprache nicht jenseitig vorgegeben als eine objektive Realität, welcher die Sprache nur eben nachfolgte, um sich ihr anzupassen oder um sie auszudrücken. Vielmehr entscheidet sich gerade in der Sprache, welche Art geselliger und gesellschaftlicher Verhältnisse wir selbst etablieren – herrschaftliche oder genossenschaftliche, mittelbare oder unmittelbare, persönlich-konkrete oder administrativ-abstrakte, duldsame oder aggressive, menschliche oder unmenschliche, freundliche oder feindliche, gut oder böse ist. In der Sprache ist der ganze Mensch am Werke, auch die ganze Gesellschaft in ihrer Ordnung oder in ihrer Unordnung. So verrät und befestigt die jeweilige Rede und Sprache gewiß das jeweilige Gesellschaftsverhältnis der Sprechenden und ist ihm in der Tat immer angemessen.
Quelle: Dolf Sternberger. Gut und Böse