Einer weitverbreiteten Meinung zufolge ist das Ideal des Wissenschaftlers, das sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Frankreich und Deutschland durchgesetzt hat, auch heute noch vorherrschend. Im Hinblick auf Europa mag dies teilweise (wenn auch mit großen Einschränkungen) zutreffen, in bezug auf die Vereinigten Staaten lässt sich dies jedoch keinesfalls behaupten. Dort dominiert der Wissenschaftler, den der „ehrliche Jim“ verkörpert. Und dieser Typus beginnt sich nicht nur in Europa, sondern weltweit – zunehmend durchzusetzen.

In den USA erfuhr der Beruf des Wissenschaftlers seine vorläufig letzte Wandlung: Hier büßte er sein Recht auf Muße ein, das Recht, Gegenstand und Ansatz der Forschung autonom und frei zu wählen, ohne Verpflichtung, auf im voraus festgelegte Ziele hinarbeiten zu müssen. Politiker und Militärs übernahmen mit dem Manhattan Projekt, das zum Bau der ersten Atombombe führte, die Kontrolle über die Arbeit der Wissenschaftler, deren Tätigkeit zunehmend bis ins einzelne geplant und gelenkt wurde. Häufig wird behauptet, die Militärs trügen allein die Schuld daran, dass die amerikanischen Wissenschaftler ihre Autonomie verloren haben. Größeres Gewicht hatte aber die Tatsache, dass die Forschung selbst nach den Kriterien der pragmatischen Effizienz- und Managerlogik organisiert wurde, wie sie für die amerikanische Gesellschaft typisch ist. Diese Logik war unvereinbar mit der Idee wissenschaftlicher Autonomie. In Amerika hatte der Wissenschaftler keine Möglichkeit, ein „Müßiggänger“ zu sein. Thomas Alva Edison brachte dies in einem Interview zum Ausdruck, das 1893 in der Zeitschrift Scientific America wiederveröffentlicht wurde: „Ich betreibe Wissenschaft nicht, nur um die Wahrheit zu erkennen, wie dies Newton, Kepler, Faraday und Henry getan haben. Ich bin ein professioneller Erfinder. Meine Studien und meine Experimente habe ich mit dem alleinigen Ziel durchgeführt, etwas zu erfinden, das kommerziellen Nutzen bringt“.

Quelle: Der grosse Schwindel. Betrug und Fälschung in der Wissenschaft, Autor: Federico Di Trocchio