Von Ralf Keuper

Spätestens seit dem Erscheinen von Auf der Suche nach Spitzenleistungen von Peters/Waterman ist die Jagd nach den Erfolgsfaktoren im vollen Gange. Ganze Scharen von Beratungsunternehmen werben damit, ihre Kunden wieder auf die Straße des Erfolgs zu führen, sobald es ihnen gelingt, die dafür wesentlichen Faktoren, häufig auch Best Practices genannt, anzuwenden. 
Nachdem die Kundenorientierung schon zum Standard gehört, ist nun die Digitalisierung das Gebot der Stunde. Ohne digitale Strategie ist ein Unternehmen demnach dem Untergang geweiht. Zum Beweis werden gewöhnlich die aktuell erfolgreichsten Unternehmen, gemessen am Wachstum, Umsatz oder Marktwert zitiert, die bereits über eine ausgefeilte Strategie für das digitale Zeitalter verfügen. 
Ohne jetzt näher auf diesen neuen Hype einzugehen, ist es zweckmäßiger, zu fragen, ob es die Erfolgsfaktoren überhaupt gibt. 

Und da fällt die Antwort ernüchternd aus.

So räumte Phil Rosenzweig in seinem Buch Der Halo-Effekt. Wie Manager sich täuschen lassen mit dem Mythos Erfolgsfaktor auf. Fast immer wird Unternehmen mit herausragenden Umsatz- und Gewinnzahlen, garniert mit Höchstkursen an der Börse, eine brillante Strategie unterstellt, die nicht selten das Ergebnis eines Visionärs an der Spitze ist. Als Beispiele nennt er Cicso und ABB. Sobald sich allerdings die Zahlen, völlig unerwartet, nach unten entwickeln, verliert der Zauber plötzlich an Glanz. Nun sind sich alle Kommentatoren, die zuvor die Weitsicht des Vorstandschefs und die herausragenden Merkmale des Unternehmens priesen, einig darin, dass der ehemalige Superstar seine Wurzeln verloren hat. Die genauere Betrachtung ergibt, dass es sich hier um ein Phänomen handelt, das früher oder später jeden Superstar zum Straucheln bringt. Die Erfolge sind häufig besonderen Konstellationen geschuldet, die irgendwann an Wirkung verlieren, weil der Markt sich ändert, die politischen Rahmenbedingungen wechseln oder auch eigene Fehler ihren Tribut fordern. 

Unternehmen, denen es gelingt, über einen langen Zeitraum erfolgreich zu sein, was nicht gleichbedeutend mit kontinuierlich steigenden Umsätzen und Gewinnen ist, haben häufig selbst keine Erklärung für ihren Erfolg, zumindest keine, die sich auf eine einfache Formel bringen lässt, die sich dann auch noch für andere Unternehmen in der selben Weise eignet. Dafür sind Unternehmen zu verschieden. 
Im deutschsprachigen Raum sind es Alfred Kieser und Alexander Nicolai, die sich kritisch mit der Erfolgsfaktorenforschung auseinandersetzen. 

Lesenswert in dem Zusammenhang sind die Gedanken eines der größten Bankiers des 20. Jahrhunderts, Max Warburg:
Großen Wert würde ich darauf legen, daß nachgewiesen wird, wieviel der Zufall bei der Entwicklung eines solchen Geschäfts mitspielt und wieweit überhaupt die wirtschaftliche Entwicklung viel mehr Zufälligkeiten, Selbstentwicklungen zuzuschreiben ist als der sogenannten zielbewußten Arbeit eines Einzelnen. Durch die Arbeit sollte ein gewisses Gefühl der Ehrfurcht vor diesen Selbstentwicklungen gehen, denn die meisten Menschen leiden an Selbstüberschätzung, und namentlich die Bankdirektoren, wenn sie ihre Jahresberichte meistens 3 bis 6 Monate nach Schluß des vorherigen Jahres schreiben, legen nachträglich in ihre Aktionen eine Voraussehung, die in Wirklichkeit nie vorhanden gewesen ist.” 

(in: Das Bankhaus M.M. Warburg & Co. 1798 – 1938″ von E. Rosenbaum und A. J. Sherman) 

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