Von Ralf Keuper

Das Buch Die Angestellten von Siegfried Kracauer hat inzwischen den Rang eines Klassikers der dokumentarischen Literatur. Kracauer, der als Schriftsteller und Journalist ungewöhnlich vielseitig war, setzte sich in dem Buch, das im Jahr 1930 erschien, wohl als erster in dieser Form mit der damals relativ neuen Klasse der Angestellten auseinander. Viele der darin enthaltenen Charakterisierungen und Diagnosen der Angestellten-Kultur liefern auch heute – im Zeitalter flacher Hierarchien und von Selbstorganisation –  noch Einblicke, die an Aktualität kaum eingebüßt haben:

Auf das Monatsgehalt, die sogenannte Kopfarbeit und einige andere ähnlich belanglose Merkmale gründen in der Tat gegenwärtig große Teile der Bevölkerung ihre bürgerliche Existenz, die gar nicht mehr bürgerlich ist; … Die Stellung dieser Schichten im Wirtschaftsprozess hat sich gewandelt, ihre mittelständische Lebensauffassung ist geblieben. Sie nähren ein falsches Bewusstsein. Sie möchten Unterschiede bewahren, deren Anerkennung ihre Situation verdunkelt; sie frönen einem Individualismus, der dann allein sanktioniert wäre, wenn sie ihr Geschick noch als einzelne gestalten könnten.

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