Die Frage nach der institutionellen Kontrolle der Regierenden setzt nicht mehr voraus als die Annahme, dass die Regierungen nicht immer gut oder weise sind. Da aber bereits von historischen Tatsachen die Rede war, so glaube ich gestehen zu müssen, dass ich geneigt bin, über die Annahme ein wenig hinauszugehen. Ich neige zu der Ansicht, dass Herrscher sich moralisch oder intellektuell selten über und oft unter dem Durchschnitt befanden. Und ich halte es in der Politik für ein kluges Prinzip, wenn wir uns, so gut wir können, für das Ärgste vorbereiten, obschon wir natürlich zur gleichen Zeit versuchen sollten, das Beste zu erreichen. Es scheint mir Wahnsinn, all unsere politischen Bemühungen auf die schwache Hoffnung zu gründen, dass die Auswahl hervorragender oder auch nur kompetenter Herrscher von Erfolg begleitet sein wird.

Karl R. Popper. Die offene Gesellschaft und ihre Feinde