Ich wünsche, eines nahen oder fernen Tages, am Ende des Unterrichts, den ich heute aufnehme, hätte ich verdient, dass man von mir sagte: “In der Geschichte hat er nur die Geschichte gesehen, nicht mehr … In seinem Unterricht hat er nicht die Geister geknechtet, weil er keine Systeme hatte – jene Systeme, von denen selbst Claude Bernard sagte, sie neigten dazu, den menschlichen Geist zu knechten – , sondern weil es ihm um Ideen ging und um Theorien; Ideen, weil die Wissenschaften nur durch die schöpferische und originäre Macht des Denkens vorankommen, und Theorien, weil wir zwar wissen, dass Theorien nie die unendliche Komplexität der Naturphänomene einholen und dennoch Stufen sind, welche die Wissenschaft in ihrem unstillbaren Verlangen, den Horizont des menschlichen Denkens zu erweitern, erklimmt – mit der großartigen Gewissheit, niemals den Gipfel aller Gipfel zu erreichen, jene Spitze, von der aus man sähe, wie aus der Dämmerung die Morgenröte steigt”.
Quelle: Lucien Febvre: Das Gewissen des Historikers. Antrittsvorlesung am Collège de France 1933
Hinweis: Febvre bezieht sich hier auf die Notizen aus einer der letzten Vorlesungen des Historikers Jules Michelet