Von Ralf Keuper
Im dritten und letzten Teil seiner Strukturen des Bösen, die gleichzeitig als Dissertation und Habilitation anerkannt wurde (die drei Bände umfassen zusammen weit über 1.000 Seiten), durchleuchtet der heute als Kirchenkritiker einem größeren Publikum bekannte Eugen Drewermann die jahwistische Urgeschichte zunächst anhand der Philosophie Kants und Hegels, bevor er zur Existenzphilosophie Sartres und Kierkegaards übergeht. Kierkegaard und sein Angst-Begriff genießen dabei das besondere Interesse Drewermanns.
Von allen mir bekannten Schriften Drewermanns ist mir dieses Buch noch immer das liebste. Vielleicht liegt das daran, dass hier noch der Dozent an der Theologischen Fakultät Paderborn und nicht der spätere, prominente Kirchenkritiker spricht. Damit ist nicht gemeint, dass Drewermanns Kirchenkritik nicht die Lektüre lohnen würde. Allerdings gilt für Drewermann, ähnlich wie für den ebenfalls äußerst produktiven Niklas Luhmann, dass in dem “Frühwerk” noch nicht so sehr die Wirkung und der Ausbau des eigenen Systems im Vordergrund stand, sondern der Inhalt. 
Wie auch immer. Schon in der Einleitung macht Drewermann klar, worin es ihm in seiner Interpretation der jahwistischen Urgeschichte geht. Nachdem er in den Teilen 1 und 2 das Thema theologisch-exegetisch und psychoanalytisch angegangen ist, wendet er sich im dritten und letzten Teil dem Kern zu: 

Es ist die Kernthese dieser Arbeit, das J zu Recht den Menschen als ein Wesen kennzeichnet, das notwendig von >Angst< heimgesucht wird und in der dieser Angst notwendig ins Böse gerät, es sei denn, dass es von der verheerenden Dynamik seiner Daseinsangst im Vertrauen auf Gott erlöst wird. 

Einzig die Theologie, so Drewermann weiter, sei in der Lage, den Menschen von seiner Daseinsangst zu befreien. 
Bei all ihren Vorzügen, so reicht die Psychoanalyse bei weitem nicht aus, um den Menschen die Angst vor dem Dasein zu nehmen:

Es wäre im Leben des Einzelnen wie der menschlichen Gattung verhängnisvoll, wenn zur Lösung der Angst des Daseins nur die Antworten gegeben werden könnten, die von der Psa angeboten werden.

Sich der  >geistigen< Angst zu stellen, ist für Drewermann allein wegen der Selbsterkenntnis unumgänglich:

Die Wahrheit und die Furchtbarkeit der Angst besteht ja gerade darin, dass man nicht vor etwas Fremden zurückschaudert, das man vermeiden oder vor dem man fliehen könnte, sondern letztlich immer und unausweichlich vor sich selbst. Alle Selbsterkenntnis führt im Grunde dazu, den falschen Anschein zu beseitigen, als seien es die äußeren Umstände, Personen und Faktoren an sich, die dazu trieben, aus Angst sich selber zu verfehlen. In Wirklichkeit ist die Macht der äußeren Faktoren abhängig von der Bedeutung, die man ihnen verleiht, und diese hängt ganz und gar an der Art des eigenen Lebensentwurfs.

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