In ihrem aktuellen Blog-Beitrag wirft das Bankhaus Rott einmal mehr einen kritischen Blick auf die europäische Automobilindustrie. Dabei zitiert das Haus die letzten Zahlen vom Automobilmarkt, die deutliche Absatzrückgänge anzeigen. Tendenz weiter fallend.

Trotz bereits vollzogener und angekündigter Werksschließungen weist der Automarkt in Europa nach wie vor hohe Überkapazitäten aus.

Betroffen von der Entwicklung waren bisher in erster Linie die Massenhersteller im mittleren und unteren Preissegment, wie Fiat, Peugeot, Ford und Opel. Die Premiumhersteller wie BMW, Daimler und Audi blieben hiervon, auch wegen wieder anziehender Absatzzahlen in den USA und hoher Nachfrage in Ostasien, weitgehend unberührt. Die aktuellen Zahlen zur Entwicklung der Restwerte weisen jedoch darauf hin, dass diese Zeiten bald vorbei sein könnten.

Da es sich, wie schon erwähnt, laut Bankhaus Rott um eine strukturelle und weniger um eine konjunkturelle Krise der Automobilindustrie handelt, kommen auch auf die deutschen Hersteller harte Zeiten zu. Jedenfalls ist die Anzahl deutscher Automobilfabriken in Europa mit 46 von insgesamt 210 in der EU beachtlich und mit weitem Abstand die höchste aller aufgeführten Länder.

Wegen ihrer Bedeutung für die Volkswirtschaften werden die Länder Europas einiges bzw. nahezu alles tun, um die Hersteller und damit auch die Automobilzulieferindustrie zu stützen. Erinnert sei an die Abwrackprämie.

Es ist allerdings fraglich, ob sich der Strukturwandel in der Automobilindustrie auf diese Weise aufhalten lässt – die Stahlindustrie und der Bergbau lassen grüßen.

Die Bedrohungen sind dabei vielfältig und kommen nicht nur aus Fernost.

In einem Kommentar auf Telepolis behauptet Franz Alt , dass die Automobilindustrie die Zukunft verschlafe. Als Grund nennt er die nur halbherzigen Anstrengungen in Richtung Elektroauto, Ein-Liter-Autos und Hybridautos. Noch immer sei das Denken in den deutschen Autokonzernen von der guten alten Zeit geprägt, in der das Auto Ausdruck der Freiheit war. Der Ressourcenverbrauch war demgegenüber von untergeordneter Bedeutung.

Das nachfossile Zeitalter, das selbst in den USA bereits an einigen Stellen angekommen zu sein scheint, wird hierzulande nicht zur Kenntnis genommen.

Weiteres Ungemach droht der Automobilindustrie von dem häufig zitierten Wertewandel, der dazu geführt hat, dass das Auto als Statussymbol bei der Jugend (18 – 25 J.) ausgedient, zumindest jedoch merklich an Bedeutung verloren hat.

Doch damit nicht genug.

Denn auch in Fernost, insbesondere in China, will man den heimischen Markt ebenso wie den Weltmarkt keineswegs den ausländischen Herstellern, auch denen aus dem Premium-Bereich, überlassen. Seit einigen Jahren schon kaufen chinesische Staatsunternehmen ausländische Automobilhersteller, um sich so deren Know How anzueignen und die Abhängigkeit zu verringern. Oder wie Helmut Becker in Ausgebremst schreibt:

Strategisch orientieren sich die Chinesen sehr stark an japanischen Vorbildern. Ähnlich wie die Koreaner sich von der reinen Billigprodukt-Strategie abgewandt haben, stellt auch SAIC die Produktqualität in den Mittelpunkt des Wirtschaftens, um durch zufriedene Kunden und entsprechende Loyalität ein langfristiges und nachhaltiges Wachstum zu generieren. Dazu gehört auch die Akkumulation von Know-How durch eigene Entwicklung von Komponenten und Schaffung eines Zuliefer-Netzwerkes, Zeichen dafür, dass die Chinesen als Konkurrenten in Zukunft ernst zu nehmen sind.

Auf ein weiteres Problem weist Johann-Günter König in Die Autokrise hin. In seinem aktuellsten Beitrag stellt er die ketzerische Frage Wer benötigt ein eigenes Auto? Darin fordert er den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel und Änderungen am Steuersystem, um die CO2-Emissionen zu reduzieren.

Die Gefährdungen der Automobilindustrie kommen aus unterschiedlichen Richtungen. Sind die ökologischen Probleme schon seit längerem bekannt, deuten die Veränderungen in der Werteskala der potenziellen Käufer wie auch die zunehmende Konkurrenz aus China und demnächst Indien darauf hin, dass die Qualität der Bedrohung eine andere geworden ist. Damit ist nicht zwangsläufig gesagt, dass die deutsche und europäische Automobilindustrie auf die Verliererstrasse gerät. Sinkende Restwerte sind kein neues Phänomen ebenso wenig wie Konkurrenz aus Fernost. Jedoch sind angesichts steigender Automobilpreise, bei stagnierenden Einkommen und hohen Fixkosten (Sunk Costs) der Hersteller die Aussichten nicht wirklich günstig. Schon heute liegt die Leasingquote der Wagen aus der Mittel- und Oberklasse in Deutschland bei 60 Prozent. Der Absatzkanal Autobanken nähert sich der kritischen Grenze.

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