Von Ralf Keuper
Vor wenigen Tagen verstarb der Soziologe Benjamin Barber, der u.a. als Berater der Clinton-Regierung tätig war. In seinem Nachruf Grimmiger Kritiker in der Frankfurter Rundschau hebt Harry Nutt die Bedeutung Barbers für das Geistesleben der USA wie auch die seiner Forschungen hervor.
Als sein bekanntestes Buch gilt Consumed!: Wie der Markt Kinder, Erwachsene infantilisiert und die Demokratie untergräbt. Darin macht der den seiner Meinung nach zunehmenden Sittenverfall bzw. für die wachsende Verblödung die Infantilsierung weiter Teile der Bevölkerung verantwortlich. Dem hält er das Bild eines Kapitalismus entgegen, der sich vor allem auf die Prinzipien der protestantischen Ethik, wie sie von Max Weber entwickelt wurde, beruft. In deren Zentrum stehen Fleiß und Sparsamkeit oder, wie Weber es auch genannt hat, die “innerweltliche Askese”. Demnach untergräbt ein Kapitalismus, der auf reinen Konsumismus abzielt und die Konsumenten daher in einem Stadium relativer Unreife belassen bzw. halten muss, den Kapitalismus selbst, da nur noch auf schnelle und möglichst bequeme Zielerreichung Wert gelegt wird und daher alles, was Aufschub und lange Lernphasen bedeutet, meidet, da nicht mehr nötig und überspitzt formuliert: wachstumsverhindernd.
Auszug:
Der Kapitalismus als solcher ist wieder an seinem Ausgangspunkt angekommen. Aus einem ungewöhnlichen Zusammenwirken von Egoismus und Altruismus, zwischen Profit und Produktivität entstanden, erlaubte er einst energischen und unternehmerischen Risikoträgern, davon zu profitieren, dass sie dem Wachstum und der Wohlfhart aufstrebender Nationen dienten. Er könnte sich dabei auf das protestantische Ethos stützen, das Arbeitsfleiß, Weitblick bei der Kapitalanlage und asketische Selbstverleugnung mit moralischer Bedeutung versah, genau jene Eigenschaften, die der produktivistische Kapitalismus für seine Entfaltung benötigte. Heute übersteigt seine Produktionsfähigkeit bei weitem die Bedürfnisse, denen er einst diente, während er in seiner Verteilungsfähigkeit durch die wachsende globale Ungleichheit, die er selbsts beschleunigt hat, gelähmt wird. Für seinen Erfolg nich länger auf Produktivität, sondern auf Konsumismus angewiesen, hat er ein Ethos der Infantilisierung erzeugt, dass genau jene Eigenschaften schätzt, die vom protestantischen Ethos verurteilt wurden. Während er sich buchstäblich selbst zerstört, ist die Demokratie in Gefahr und das Schicksal der Bürger ungewiß. Wahrend er vorgibt, die Freiheit zu schätzen und zu erweitern, bleibt unklar, was Freiheit bedeutet in einer Zeit, in der Freiheit sich überzeugender im Kaufen als im Abstimmen manifestiert und das, was wir als einzelne im Einkaufszentrum tun, unser Schicksal stärker prägt als das, was wir gemeinsam auf dem öffentlichen Versammlungsplatz tun.
Im weiteren Verlauf versucht Barber seine These mit historischen wie auch aktuellen Beispielen zu belegen u.a. anhand der Schilderung der Lebensläufe von Persönlichkeiten wie Jakob Fugger, John D. Rockefeller bis hin zu Bill Gates. Dabei gerät seine Argumentation m.E. immer holzschnittartiger und wirkt zuletzt konstruiert. Sein eigentliches Ziel ist m.E. die Wiederherstellung des guten alten Kapitalismus protestantischer Prägung, wie er von Max Weber als >eine< Triebfeder des Kapitalismus beschrieben wurde, was dann doch etwas einfallslos ist.