Von Ralf Keuper
Der legendäre Wiener Kreis steht im Rahmen der Feierlichkeiten zum 650-Jahr-Jubliäum der Universität Wien wieder im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Aus diesem Anlass haben sich in den letzten Wochen mehrere Beiträge mit dem Wiener Kreis, seiner Geschichte und Bedeutung für Philosophie und Wissenschaft beschäftigt. 
Hier eine Auswahl:
Definition “Wiener Kreis”:

Der Wiener Kreis war eine Gruppe von Philosophen und Wissenschaftlern im Wien der Zwischenkriegszeit. Unter den Titeln Wissenschaftliche Weltauffassung und Logischer Empirismus entwickelte er eine philosophische Weltsicht, die sich im amerikanischen Exil schließlich zu der analytischen Philosophie und Wissenschaftstheorie modifizierte und verdichtete, die heute die weltweit einflussreichsten Spielarten philosophischer Methodik repräsentiert. „Wissenschaftliche Weltauffassung“ ist die Idee, Philosophie im klassischen Sinn, als eine über den Wissenschaften stehende und diese leitende Disziplin, zu ersetzen, durch eine von den Wissenschaften selbst geleitete Weltsicht, deren Grundlage einerseits die moderne mathematische Logik bildet, andererseits in sogenannten Protokollsätzen fest zu machende empirische Befunde, also Logik plus Empirie, kurz: „Logischer Empirismus“. Dieser Zugang ist antimetaphysisch, weil er die Idee einer genuin philosophischen Methode konterkariert. An die Stelle der von der antiken Philosophie, über die Scholastik des Mittelalters, bis hin zu Kant und Hegel vorangetriebenen Versuche einer Philosophie, die alle wissenschaftlichen Erklärungen letztendlich den umfassenden apriorischen Prinzipien der Philosophie unterzuordnen trachtete, setzt die Wissenschaftliche Weltauffassung des Wiener Kreises eine bloß den Überblick über die vorhandenen wissenschaftlichen Ressourcen anstrebende „Wissenschaftstheorie“. (Quelle: Der Wiener Kreis. Ausgewählte Texte)

In seinem Buch Positivismusstreit beschreibt Hans-Joachim Dahms das Verhältnis des Wiener Kreises und der Frankfurter Schule:

Bei der Frankfurter Schule war der Bereich Naturwissenschaft und Mathematik faktisch ausgeblendet, beim Wiener Kreis der sozialwissenschaftliche und historische Bereich unterentwickelt. Eine solche Konstellation ist, von ihren Entwicklungschancen her betrachtet, ambivalent. Von der Entscheidung darüber, als wie groß die Gemeinsamkeiten angesehen und wie stark die jeweiligen Defizite auf beiden Seiten empfunden wurden, hing letztlich ab, ob Kontakte oder ob sogar die Zusammenarbeit mit der anderen Seite gesucht oder gemieden wurde. … Im ganzen ergibt der Vergleich von politischer Haltung und Aktivität der Frankfurter Schule mit dem Wiener Kreis vor 1933, grob gesagt, folgende Bilanz: hier (in Frankfurt) eine ausgebautere sozialwissenschaftliche Theorie, dort (in Wien) eine intensivere Beteiligung an praktischer sozialistischer Politik bei den meisten Mitgliedern des Wiener Kreises.

Weitere Informationen:

Der Wiener Kreis

Positivismusstreit

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