Ein Gastbeitrag von Alfred Fuhr 

Wie es gelingen kann, mit Franz Oppenheimer die freie Konkurrenz und den Denkstil der Sozialen Daten-Marktwirtschaft zurück in die Internetökonomie zu holen.

Franz Oppenheimer –  geb. 1864, gestorben 1943 – ist ein heute weitgehend vergessener Ökonom und einer der ersten aktiven Soziologen in Deutschland, der sich zur Soziologie als seiner Leitdisziplin bekannte,

weil sie über das fachmännische Spezialistentum hinausgehend gerade diese Zusammenhänge zu ihrem eigentlichen Untersuchungsgebiet macht

, wie Werner Müller-Esterl, der damalige Präsident der Goetheuniversität Frankfurt, in seiner Einleitung zum kleinen Band Franz Oppenheimer – Ökonom und Soziologe der ersten Stunde schreibt, das von dem Nationalökonomen Volker Caspari, der an der TU Darmstadt lehrt und dem Soziologen Klaus Lichtblau herausgegeben wird. Beide haben das Büchlein, das in der Reihe Biografien der Gründer, Gönner und Gelehrten zum 100.Geburtstag der Johann Wolfgang Goethe Universität im Jahr 2014 erschienen ist, akribisch den Nachlass Oppenheimers gesichtet. Was mir am Buch gefällt, trotz der nur 10 Jahre dauernden Lehr – und Forschungstätigkeit von Franz Oppenheimer in Frankfurt, ist, dass seine Arbeit in einer lesbaren Form und mit viel Bildmaterial ausgestattet, komprimiert dargestellt wird. Das gilt insbesondere für die Wege und die Motivation, die bei ihm dazu geführt haben, sich damals zur Soziologie zu bekennen, sein Medizinstudium und seine berufliche Tätigkeit in Berlin aufzugeben, um in Frankfurt einer der ersten akademischen Soziologie-Professoren zu werden, und dann in zehn Jahren neben seiner Lehre und Forschungsarbeit auch die Erste Frankfurter Schule und die Frankfurter Gesellschaft für Soziologie 1921 zu gründen. Neben dieser Pionierarbeit ist Franz Oppenheimer aber auch einer der Vorbereiter eines Denkstils, der, wie ich finde, am ehesten anschlußfähig an die Internet-Ökonomie ist, und der ihn darüber hinaus zu einem Wegbereiter der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland macht.

Die Bodensperre, der durch Großgrundeigentum monopolisierte Produktionsfaktor Boden als Monomanie und die freie Konkurrenz als Oppenheimers Geistesblitz – das sind die wesentlichen Passagen, die ich zur Unterstützung meiner Behauptung, dass die Arbeiten von Franz Oppenheimer und seine Reine Ökonomie als Kritik der politischen Ökonomie hervorragend geeignet sind, um die Internetökonomie von heute zu verstehen, finden sich auch in dem erwähnten kleinen Band.

Oppenheimer erkannte 1893 die Bedeutung des Klassenmonopols auf Großgrundbesitz als eines der zentralen Probleme von Wirtschaft und Gesellschaft,

ja die eigentliche Ursache von Pauperisierung und Elend.

Die Autoren zeichnen die Linien, die bei Oppenheimer zu drei Büchern führten, nach. Sie machten ihn zu einem Spezialisten und Kritiker der großen Theorien über das Produktionsmittel Land: Adam Smith, Thomas Richard Malthus, Johann Heinrich von Thünen,und – Karl Marx. Den größten Respekt hatte Oppenheimer aber vor der Theorie von David Ricardo:

Seit Jahren und Jahren stand sozusagen, das Gespenst Ricardos an meinem Bette, das Gefühl der Verpflichtung, mich mit der entscheidenten Leistung dieses größten Theoretikers unserer Wissenschaft … mit seiner Theorie der Grundrente auseinaders zu setzen.

Wie kann man das eherne Gesetz vom abnehmenden Bodenertrag und die Gesetzmäßigkeiten der unausweichlichen periodischen Verarmung und Verelendung der unteren Gesellschaftschichten widerlegen?

Oppenheimer`s Hauptthema war, und das macht ihn für die Internetökonomie als Blaupause interessant, die Ricardosche Annahme von der unterschiedlichen Fruchtbarkeit der Böden zeigt nun logisch zwingend, dass eben unter der Vorraussetzung freier Konkurrenz und in Abhängigkeit von der Gesamtnachfrage von z.B. Getreide die Produktion ausgedehnt wird und zwar vom fruchtbarsten Boden ausgehend bis zu dem Boden mit niederer Fruchtbarkeit, der gerade noch benötigt wird, um die Nachfrage zu befriedigen.

ERGO: Es ist nicht das Klassenmonopol, sondern die unterschiedliche Fruchtbarkeit, die hier die Bodenrente bestimmt. Obwohl es Oppenheimer, so die Autoren, nicht gelang, diese Theorie zu widerlegen, führt sein Denkstil zu den richtigen Fragen, auf die wir auch mit der Internetökonomie eine Antwort geben müssen: Was ist ein natürlicher Lohn für die, die darin arbeiten, was sind virtuelle Monopole des Grundeigentums im Netz, was ist dort die Bodenrente, und wie kann man dort zur freien Konkurrenz von Angeboten und ihrer Nachfrage gelangen? Sind Daten die Krumen und der Humus, mit dem die Internetökonomie fruchtbar wurde, warum sind manche “Böden” fruchtbarer? Was bedeutet dann technologischer Fortschritt in der Bodenbearbeitung? Wie lässt sich freie Konkurrenz im Netz sozial gestalten? Was ist ein Monopol im Internet?

Schumpeter bescheinigte Oppenheimer Talent, lehnte aber seinen Monopolbegriff entschieden ab.

Am gelehrten Disput zwischen Oppenheimer und Schumpeter in den Jahren 1918/19 lässt sich erkennen, wie Oppenheimer damals zwischen allen Stühlen saß, und wie er durch seinen Monopolbegriff zu einer Reizfigur wurde, die uns heute vielleicht helfen kann, das Internet und die entfessellte Datensammelwut und das Abstecken der Claims dort, die Marktmacht in der Digitalisierung erst einmal zu verstehen, um dann in einem zweiten Schritt mit Oppenheimer und seinen prominenten Studenten Alfred Müller Armack und Ludwig Erhard dann zu einer Sozialen Daten-Marktwirtschaft – als Erfolgsmodell für einen europäischen Denkstil und zur Lösung der größten Probleme in der Internetökonomie zu kommen.

Zum Autor: Alfred Fuhr ist Verkehrs- und Kundensoziologe. Seit einigen Jahren betreibt er Das Fuhrwerk – Bureau für Kundensoziologie in Frankfurt (Main). Daneben ist er noch Gründungsmitglied und Sprecher des Internetclubs Data Assistance Europe.

 

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