Ein Gastbeitrag von Alfred Fuhr
Mit Hilfe der Beiträge zur ökonomischen Dogmengeschichte von Bertram Schefold ( Hg) und Volker Caspari aus dem Jahr 2003 und Schefolds Aufsatz Der Weg Alfred Müller-Armacks : Vom Interventionsstaat zur sozialen Marktwirtschaft könnte es vielleicht gelingen, die Kontinuität der 1. Frankfurter Schule mit ihrem interdisziplinären Geist bis zur Teamarbeit für die soziale Marktwirtschaft von Ludwig Erhard und Alfred Müller Armack seinem Staatssekretär und Studienfreund zu (re) konstruieren.
Versuchen wir es mal.
Alfred Müller – Armack war wie Ludwig Erhard, aber auch Max Horkheimer und Theodor Adorno, ein Student von Franz Oppenheimer. Zusammen mit dem oben genannten Beitrag von Bertram Schefold und dem bereits vorgestellten Büchlein von Volker Caspari, Klaus Lichtblau und Claudia Willms ergibt sich für mich die erkennbar klare Skizze eines interdisziplinären Denkstils, mit einer Leitungs – und Gestaltungsfunktion, der zu einem Wirtschaftsstil für uns heutige, die wir nach einer Internetökonomie suchen, werden könnte.
Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang, dass, wie Bertram Schefold richtig am Anfang seines Aufsatzes schreibt, dass
„solche Denkstile, die, der Wirtschaft! und der Wissenschaft und Politik „… Orientierung zu geben vermögen“ (nicht wie es die Legende um Ludwig Erhards Genius versucht zu erzählen)-nicht nur “ von einer einzigen Persönlichkeit erdacht“ worden ist , sondern es sehr viele Wegbereiter für die Soziale Marktwirtschaft brauchte, um sie erfolgreich und gegen die Mehrheit der Bevölkerung und gegen den politischen Willen durch zu setzen. „Sie antworteten in den mittleren Jahrzehnten dieses (inzwischen vergangenen) Jahrhunderts auf die Herausforderung der Wirtschaftskrise, der nationalsozialistischen Wirtschaftslenkung, und der zentralen Planung im sich formierenden Ostblock mit einer Erneuerung des Liberalismus.“(Bertram Schefold, S. 505).
Es ist daher sicher nicht ganz unklug, den derzeit heiß favorisierten Wirtschaftslenkungsinstrumenten, wie Algorithmen und Predictive Analytics, den Big und Smart Data Idyllen, mit einer unbarmherzigen Analyse dieser Lenkungsfehler zu begegnen. Es ist egal, ob solche Meta-Lenkungsinstrumente von Technokraten ersonnen werden, oder, wie im politischen Interventionsstaatsideal eines utopischen Kommunismus, aus einer sozialen Heilserwartung vom besseren Menschen sich speisen, oder ob sie aus der Pervertierung von Effizienz und dem Rassenwahn und des Sozialdarwinismus des Nationalsozialismus und Stalinismus entstanden sind; auch wenn sie inzwischen nur noch tote Geschichte für die Wirtschaftsstile von heute zu sein scheinen, oder sich als quicklebendig und verkürzt oder postmodern als Wachstumsmoloch inszenieren und als mashup, vor allem wie bei der Partei – Wirtschafts Dichotomie in China, wieder Erfolge zu haben scheinen; oder als Bedrohung durch neuerdings leider auch wieder nach Glasnost-Zwischenspiel in Rußland in der Oligarchen Wirtschaft um Putin reinkarnieren oder sich hinter den islamischen Kalifatsphantasien in der Türkei des Erdogan Regimes verstecken.
Es gilt diesen Lenkungsinstrumenten die seit Jahrzehnten erfolgreiche Idee der Sozialen Marktwirtschaft und ihren Denkstil entgegen zu stellen, auch wenn durch den Techkapitalismus der amerikanischen Internetkonzerne in Deutschland die soziale Marktwirtschaft in ihren Grundfesten wieder neue Antworten geben muss, ja sie angesichts von Datenschutzversagen und der Ohnmacht der Bürger gegenüber Überwachung und Ausspähung und durch die ans absurde grenzenden Auseinandersetzungen zwischen Kapital und Arbeit in einem echten Novum, wie dem Bahnstreik, kulminieren.
Wegen der Weigerung und Unfähigkeit von Arbeit und Kapital, die neue Unübersichtlichkeit der Machtverhältnisse zu handhaben, wird die reine Lehre einer liberalen, sozialen Marktwirtschaft als Königsweg von Wachstum, Balance und sozialer Gerechtigkeit doch ziemlich mit Füßen getreten.
Vielleicht ist es daher nicht ganz unnütz und nicht nur zum Verständnis der Internetökonomie nötig, sich immer wieder mit dem alten Kanon der Wirtschaftswissenschaftlichen Theorie, deren prominente Vertretern Ricardo, Schumpeter, und dem irgendwie dazwischen und damit zwischen allen Stühlen sich befindenden Franz Oppenheimer, seinem dritten Weg, und dessen erster kurzlebiger Frankfurter Schule zu beschäftigen.
Vielleicht kann man die Ausstrahlung dieses Denkstiles für die Digitalisierung nutzen, um die Probleme in der Internetökonomie, für die Uber, Amazon und Apple als große Namen und Disruptoren genannt werden müssen, und vor allem die derzeit heiß diskutierten Monopole von der Mutter aller kommerziellen Nutzung von Internettechnologie GOOGLE zu verstehen, mögliche ordnungspolitische Interventionen und der radikalsten Form davon, einem Ruf nach Bestrafung oder gar Zerschlagung von Google, könnte man mit einem klugen historischen Verweis auf den Denkstil von Oppenheimer und dessen Schüler Ludwig Erhard und einigen weiteren Personen, die in diesem Beitrag eine Rolle spielen werden, entgegentreten.
Alfred Müller Armack`s Genealogie der Denkstile in der Wirtschaft abzuleiten, könnte ein Instrument und einen neuen Denkstil bei Politik, Wissenschaft und Wirtschaft erzeugen. Fangen wir also mi ihm an. Sein Weg in das Ministerium von Ludwig Erhard begann mit seiner Ausbildung in Frankfurt und er hörte dort Vorlesungen von „Onkel Franz“ Oppenheimer.
Schefold zitiert in seinem Beitrag über den Öffentlichkeitsarbeiter für den Denkstil der sozialen Marktwirtschaft, Alfred Müller Armack, der den Begriff der Sozialen Marktwirtschaft in seinem Werk „Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft“ in die Öffentlichkeit zu einem eigentlich völlig falschen Zeitpunkt trug, da Die wissenschaftlichen Ursprünge der sozialen Marktwirtschaft zu rekapitulieren ist, angeraten, wenn durch Datenschutzverbote auf der einen und Uber die gewachsene Vertrauenskultur in der Wirtschaft zerstört zu werden scheint, und die Verlockung groß ist, darauf mit einem staatlichen Großeinsatz in die Digitalisierung hinein zu schlagen. Die Ironie dabei ist, dass damals das
„Gedankenfeld der sozialen Marktwirtschaft durch wissenschaftliche Analysen vorbereitet“ (wurde) die das „Entstehen unserer modernen Industriegesellschaft seit dem 16.Jahrhundert zum Gegenstand hatten. Ich meine die in der Zeit von 1900 bis 1930 zu hoher Blüte gelangte nachmarxistische Kapitalismusforschung“, ( die der Nationalsozialismus verschüttet habe und allenfalls Max webers Ruhm.. in anderen Beziehungen die Zeit überdauert. (Müller- Armack, Genealogie der sozialen Marktwirtschaft, , Bern/Stuttgart 1974 .
Natürlich gibt es bis heute eine Weber Kontinuität.
STOPP. Oppenheimer – ein Sozialist?
Da sei der Wirtschaftsminister und Bundeskanzler Ludwig Erhard zitiert, der in seinen „Gedanken aus fünf Jahrzehnten“ Oppenheimer so charakterisiert hat:
„ER (OPPENHEIMER) erkannte, den Kapitalismus als das Prinzip, das zur Ungleichheit führt, das der Ungleichheit geradezu statuiert, obwohl ihm gewiss nichts ferner lag als eine öde Gleichmacherei, auf der anderen Seite verabscheute er den Kommunismus, weil er zwangsläufig zur Unfreiheit führt. Es müsse einen Weg geben, – einen dritten Weg, der eine glückliche Synthese, einen Ausgang bedeutet.“ (Ludwig Erhard, Gedanken aus fünf Jahrzehnten, S.861)
Suchen wir also auf dieser Basis, den glücklichen Ausgang, aus aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit und der Ohnmacht der Datenraubnetzwerksharingökonomie.
Individueller Selbstschutz und Datensparsamkeit hier und Regulierung durch digitalen Wächterstaat, der jegliche private oder anonyme Kommunikation unter Strafe stellen möchte- (wie es der britische Premierminister David Cameron plant!) aber auch ein nur freies Spiel im Bällebad im Netz der ungeahnten Möglichkeiten sich der Ideen anderer einfach so zu bedienen oder die Sub- Sub – Unternehmer Ausbeutung offline im Baugewerbe auch als Möglichkeit für digitale Geschäftsmodelle weiter so vor sich hin wuchern zu lassen, das wird das Internet, aber auch die Soziale Marktwirtschaft in Deutschland kaputt machen. Welche Ansätze gibt es, die den Denkstil von „Onkel Franz“ Oppenheimer, seinen Studenten Alfred Müller -Armack und Ludwig Erhard mit den Erkenntnissen von Edward Snowden und Eric Schmidt`s Code Technokratie konfrontieren?
Das Internet und die Daten als Öl darin zu erkennen, das überfordert derzeit uns alle . Die Wirtschaft wird wie „Ganz Gallien“ bei Asterix von den Römern durch die unerklärliche Marktmacht der Techkonzerne inzwischen sowohl offline als auch online dominiert – die großen Meinungskonzerne und die Medien haben bereits die weiße Flagge gehisst und kooperieren mit den neuen Besatzern, ja selbst unsere mächtige deutsche Autoindustrie baut an Modellen, um über E-Commerce Autos im Internet zu verkaufen oder mit Industrie 4.0 den Internetkonzernen direkt oder den Hackern auf Umwegen die Geheimnisse der Maschinenbauintelligent und des Qualitätsmangements in der Oberflächenbehandlung preis zu geben. Doch wo viel bedrohliches ist, da wächst das Rettende auch.
Vielleicht muss man sich nur einmal – mit Oppenheimer die richtigen Fragen stellen, denn einen Großgrundbesitz im Netz, wo es unbegrenzten Speicherplatz und grenzenlosen virtuellen Raum und keine Klasse gibt, die das Internet je beherrschen können wird, all das ist ja auch die Wahrheit. Wie bei Asterix sich in einem kleinen gallischen merkwürdige Individualisten und alte und junge Helden sich mit Freude und Spass und Musik zusammen finden und sich mit Hilfe von Internetpionieren als Druiden sich mit einem Zaubertrank die Stärke holen, so könnte sich eine Bewegung formen, die sich aus den eigenen Daten und einem Management unserer digitalen Identitäten heraus die neue Waffe formt, um in den schier aussichtslosen Kampf gegen NSA und die Übermacht der durch Ignoranz und Bequemlichkeit erstarkten Macht von Google, Apple und Amazon zu ziehen.
Wirtschaft 5.0. Die Macht der Diskretion.
Die an europäischen Werten orientierte Datenanalyse von verschlüsselten Daten, die durch die Zusammenarbeit von regionalen gewachsener Cluster in Datenfragen einen Mehrwert haben und bei deren Analyse Vertrauen die Wahre Datenqualität hervorbringt. Leicht wird es nicht werden, doch so wie es in Zeiten tiefster Not ja auch tollkühn war, jedem einfach 40 Mark in die Hand zu drücken und dann darauf zu vertrauen, dass die Bevölkerung nun nicht mehr zum Schwarzmarkt rennen wird, sondern die benötigte Ware in den Geschäften wahr nehmen und bezahlen und der Unternehmer seinen Gewinn daraus versteuern wird, klang damals auch wie eine schöne Utopie. Sie begann aber, wie die vergessene Geschichte der ersten Frankfurter Schule und der nachmarxistischen Kapitalismusanalyse zeigt, mit dem Wunsch nach Veränderung. Oppenheimer gab den Komfortberuf Arzt auf um zum Soziologen und Ökonom zu werden. Werden wir europäische Datenpiloten. Bauen wir uns einen dritten Weg eine neue digitale Infrastruktur, denken wir über Servicequalität im Netz – jenseits der Ermächtigung zu allem per AGB ’s und Bequemlichkeit nach. Hinterfragen wir die Vorteile der schnellen und unkomplizierten Bestellung, für deren Lieferung dann ein natürlicher Lohn eben nicht mehr drin ist. Ich denke, in der verstaubten Theorie sind neue Denkstile zu finden, die dann zu einem neuen Wirtschaftsstil führen können. Die Kraft die darin versteckt ist, ist vielleicht das wirklich neue ÖL.