Arthur Spiethoff stammte ursprünglich aus der Historischen Schule der Ökonomie um Gustav Schmoller. Anders als die Vertreter der Neoklassik, für die sich wirtschaftliches Handeln auf einige (zeitlose) Formeln und Modelle reduzieren lässt, vertrat die historische Schule die Ansicht, dass jede Ökonomie immer auch orts- und zeitgebunden ist. Jeder Versuch, die Ökonomie in eine allgemeingültige (reine) Theorie, ein Modell zu fassen, welche die historischen und gesellschaftlichen Einflussfaktoren weitgehend ausblenden, ist daher nur sehr bedingt geeignet, das Auf und Ab in der Wirtschaft zu erklären, geschweige denn halbwegs belastbare Prognosen liefern zu können. Spiethoff ging jedoch nicht so weit wie Schmoller u.a., Ökonomie vorwiegend historisch und kulturell aufzufassen, sondern baute in seine Anschauliche Theorie auch einige zeitunabhängige Elemente ein, wie sie für die Reine Theorie, als deren Vertreter Spiethoff u.a. Pareto, Menger, Schumpeter und Keynes nennt, charakteristisch sind.
Spiethoff formte eine Theorie, welche die genannten Mängel der historischen Schule umgehen wollte, ohne sich jedoch in mathematischen Modellen zu verlieren. Ergebnis war der Wirtschaftsstil.
Jede Epoche wird von einem besonderen Wirtschaftsstil geprägt. Dieser setzt sich zusammen aus einer bestimmten Konstellation der (Stil-)Elemente Wirtschaftsgeist, Natürliche und technische Grundlagen, Gesellschaftsverfassung, Wirtschaftsverfassung und Wirtschaftsverlauf.
Auf Zustimmung stieß die Theorie des Wirtschaftsstils u.a. bei Joseph Schumpeter und Edgar Salin, die darin eine geglückte Synthese aus historischer und theoretisch-rationaler Vorgehensweise sahen. Insbesondere zu Salins Anschaulicher Theorie gibt es mehrere Berührungspunkte. Salin erwähnte Spiethoff in seinem Buch Geschichte der Volkswirtschaftslehre mehrmals.
Ebenso wie Spiethoff gestand Salin der Mathematik wie überhaupt der Empirischen Forschung ihr Recht in der Ökonomie zu, lehnte jedoch ihren Alleinvertretungsanspruch ab.
Für Salin erfüllten die, wie er sie nannte, rational-theoretischen Verfahren die Kriterien dessen, was Hans Albert später als Modellplatonismus der Ökonomie bezeichnen sollte:
Aber allerdings birgt das rational-theoretische Verfahren als solches die Gefahr in sich, dass gerade kleinere Geister, die es gern handhaben, sich immer stärker von der Realität entfernen und das Modell >theoretisch< bis zu einem Punkt verfeinern, an dem es nur noch Selbstwert, doch keinen Erkenntniswert besitzt und also letztlich wertlos wird. .. In diesem Punkt sind wir auch mit Eucken restlos einig, der den Krebsschaden aufdeckt .., dass >der Stachel konkreter Probleme und die Wucht geschichtlicher Tatsachen< von vielen Theoretikern nicht mehr empfunden wird und dass >die zunehmende Mathematisierung der ökonomischen Theorie< in gleicher Richtung wirkt.
Dieser verkürzten Sicht hält Salin seine Anschauliche Theorie entgegen, der sich Spiethoff in weiten Teilen gedanklich verwandt fühlte:
Sowenig Gesamterkenntnis und Teilerkenntnis Gegensätze sind, sowenig sind dies >anschaulich< und >rational< in dem von uns geprägten Sinn. Vielmehr wie Gesamterkenntnis die Teilerkenntnis, wie Gesamtanschauung die Teilanschauung, wie Wesensdeutung Kausal- und Sinndeutung mitunter fasst, >so kann und muss jede richtige anschauliche Theorie auch die richtige rationale Theorie in sich enthalten<. Jede ökonomische Theorie ist also rational; aber die anschauliche Theorie ist auch-rational, nicht nur-rational.
Spiethoff selber nannte als seine Vorbilder neben Gustav Schmoller, Max Weber, Friedrich List und Werner Sombart. Spiethoff bezeichnete seine Theorie auch als “Verbundtheorie”, in der sich reine und anschauliche Theorie ergänzen.
Von Sombart grenzt sich Spiethoff insofern ab, als dass er dem Stil gegenüber dem System den Vorzug gibt, da er ersteren für offener neuen Entwicklungen gegenüber hält. Außerdem haftet einem Stil schon qua definitionem zeitliche Bedingtheit an, währenddessen Systeme häufig die Tendenz haben, nach Absolutheit und Alleingültigkeit zu streben.
Nachdem die Theorie des Wirtschaftsstils lange Zeit ein Schattendasein führte, beginnt sich die Forschung allmählich ihrer zu erinnern, wie u.a. Bertram Schefold in dem kürzlich erschienenen Band Handels- und Finanzgebaren in der Ägäis im 5. Jhd. v. Chr.
Die Chancen stehen nicht allzu schlecht, dass dem Modellplatonismus der Ökonomie ein vielseitigerer Ansatz, wie der Wirtschaftsstil, zur Seite gestellt, ihn vielleicht sogar einmal ersetzen wird. Dafür muss die Theorie jedoch weiter entwickelt werden. Anknüpfungspunkte liefern die Geschichtstheorie von Reinhart Koselleck wie auch Theorien, welche das Wesen von Konjunkturzyklen bzw. Blasen beschreiben. Erinnert sei in dem Zusammenhang u.a. an Hyman Minsky.
Aus erkenntnistheoretischer Sicht bietet sich die Philosophie des Kritischen Realismus nach Nicolai Hartmann an.
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