Von Ralf Keuper

Der Schweizer Schriftsteller Adolf Muschg sieht in der Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens für die Empfänger die Chance, innezuhalten, um sich die Frage zu stellen, ob das eigene Leben noch den ursprünglichen Vorstellungen entspricht und einer Korrektur bedarf. Es handelt sich dabei also um eine Denk- und Erinnerungshilfe statt um Sozialhilfe. Große Veränderungen fangen für Muschg immer beim einzelnen an – das verbindet ihn mit Hermann Hesse.

Schon in der Schule wird den Kindern ein binäres Denken im Sinne 0 oder 1 beigebracht, das der Wirklichkeit jedoch nicht entspricht. In einer vielfältigen und komplexen Welt leben wir in einem sowohl  als auch. Nötig ist die Kultivierung der Frageform, wie sie im Abendland mit Sokrates entstand. Die lebenslange Frageform birgt, das beweist nicht zuletzt auch das Beispiel Sokrates, Risiken. Diese können durch ein BGE zwar nicht vollständig ausgelöscht, jedoch auf ein akzeptables Maß reduziert werden. In unserer Zeit jedoch sind Fragen nicht populär. Verlangt werden Antworten. Beim BGE wären dagegen Fragen das Programm, um zu neuen Antworten zu kommen. Der Spruch Adornos, es gebe kein richtiges Leben im falschen, muss dahingehend abgewandelt werden, dass wir alle ein bisschen richtiger im falschen Leben leben sollten.

Die Fixierung auf einfache und schnelle Antworten als Ergebnis eines Algorithmus oder Programms entspricht nicht der Lebenswirklichkeit. Wichtige Fragen lassen sich nicht in das Multiple-Choice-Format pressen. So kann die viel gerühmte Kreativität in der Wirtschaft nicht entstehen. Wer die Aufforderung ernst nimmt, stellt schnell fest, dass die Interpretation von Kreativität in den Unternehmen eine sehr begrenzte ist.

Die Muße ist für Muschg eine produktive Daseinsform, woran schon die Herkunft des Begriffs Schule (“das Innehalten bei der Arbeit”) im Griechischen erinnert. Der Mensch beginnt da, wo er nicht muss.

Vgl. dazu: In der Welt des grundlosen Bedingungseinkommens

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