In der SZ vom vergangenen Mittwoch hat sich Claus Leggewie kritisch mit dem um sich greifenden Defätismus, was die Zukunft Europas betrifft, auseinandergesetzt. Den Lobgesängen vieler Kommentatoren auf die Schwellenländer hält er entgegen, dass deren Härtetest noch aussteht und weist nicht zu Unrecht auf erste Risse in der wirtschaftlichen Bilanz hin. Damit steht er nicht allein. Auch der Harvard-Ökonom Dani Rodrik hält die Prognosen zum wirtschaftlichen Wachstum der Schwellenländer für deutlich überzogen.
Nach Ansicht von Leggewie besteht der Vorteil Europas darin, aus Erfahrungen, die den anderen noch bevorstehen, schöpfen zu können – positiv wie negativ. Dennoch überwiegen für Leggewie die Vorzüge Europas. Einer davon besteht in dem Abschied von der Selbstüberschätzung als Erbe der kolonialen Vergangenheit wie auch als Lehre aus zwei Weltkriegen. Die Bezeichnung Europas als Soft Power ist für ihn nicht abwertend.
Alles in allem eine andere Sicht, die sich wohltuend von den sonstigen Artikeln zum Thema abhebt und die zu sehr von dem Management der Eurokrise inspiriert sind, das wahrlich kein Aushängeschild ist.
Für den indisch-amerikanischen Autor Parag Khanna hat die EU als Imperium neuen Stils für die 2. Welt eine Schlüsselrolle. Ebenso wie Leggewie sieht er in der EU ein Vorbild für den Interessenausgleich und ein friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Nationen, die sich in ihrer Vergangenheit immer wieder kriegerisch auseinandergesetzt haben.
Der europäische Weg ist daher alles andere als ein Auslaufmodell. Vielleicht sind wir ja diesmal unserer Zeit im positiven Sinne voraus.
Quelle: Der Defätismus der Alten Welt, SZ vom 09. Januar 2012