Die Fallstudien aus dem Altertum zeigen immer von neuem ein charakteristisches Zusammenspiel bestimmter Gegebenheiten, aus denen eine Metropole des Geistes entsteht. Am ersten Anfang steht ein gravierendes Ereignis, das die Frage nach gegebenen Traditionen wachruft, entweder weil eine Katastrophe die bisherigen Traditionen erschüttert hat, oder weil eine Gründungssituation nach (neuen) Traditionen verlangt. Für eine kurze Zeit werden Kräfte frei, die ein erstaunliches “Mehr” an kultureller Produktivität erzeugen. Besonders die Literatur ist das Medium, durch welches der Mensch sich einer neuen (oder neu erscheinenden) Erfahrungswelt nähern kann, um sie verstehend zu durchringen und mit seiner Imaginationskraft verstehbar zu machen. Auf die Phase der Produktivität folgt, nicht selten mit Abstand und ihrerseits aus besonderem Anlaß, die Kanonisierung. Die entstandene (oder die neuaufbereitete) Literatur wir normativ. Als >Klassik< begriffen, steht sie über lange Zeit zur Rezeption bereit und tut ihre, bisweilen immense, kulturgeschichtliche Wirkung. Als ein Beitrag dazu will auch der vorliegende Band verstanden werden, wenn er an die Bedeutung von Theben, Babylon, Ch´ang-an, Jerusalem, Athen, Alexandria, Rom und schließlich Konstantinopel erinnert.

Quelle: “Metropolen des Geistes” von Martin Hose und Christoph Levin (Hrsg.)

Dazu aktuell: Das alte Breslau. Kulturgeschichte einer geistigen Metropole und etwas älter: Als Wien schon einmal Zwei-Millionen-Metropole war

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