Von Ralf Keuper
Die Entdeckung der Doppel-Helix durch James D. Watson und Francis Crick gehört zu den Höhepunkten der naturwissenschaftlichen Forschung des vergangenen Jahrhunderts. Der Weg, der die beiden Forscher zu dem Modell der Doppel-Helix führte, entspricht eigentlich gar nicht so sehr den Vorstellungen, die Außenstehende sich häufig von der Arbeit im Labor machen.
Eine wichtige Inspirationsquelle bei ihren Überlegungen und Experimenten war die Entdeckung der Alpha-Spirale durch Linus Pauling. In Die Doppel-Helix. Ein persönlicher Bericht über die Entdeckung der DNS-Struktur schreibt James D. Watson:
Ich kam bald dahinter, dass Paulings Leistung ein Produkt des gesunden Menschenverstandes und nicht das Ergebnis komplizierter mathematischer Überlegungen war. Hier und da hatte sich eine Gleichung in seine Beweisführung verirrt, aber in den meisten Fällen hätten Worte es auch getan. Der Schlüssel zu Paulings Erfolg war sein Vertrauen auf die einfachen Gesetze der Strukturchemie. Die Alpha-Spirale war nicht etwa durch ewiges Anstarren von Röntgenaufnahmen gefunden worden. Der entscheidende Trick bestand darin, sich zu fragen, welche Atome gern nebeneinander sitzen. Statt Bleistift und Papier war das wichtigste Werkzeug dieser Arbeit ein Satz von Molekülmodellen, die auf den ersten Blick dem Spielzeug der Kindergarten glichen.
Das Vorgehen erinnert ein wenig an das seit einigen Jahren so beliebte Rapid-Prototyping.
Watson und Crick beschlossen daher, den Spuren von Pauling zu folgen:
Alles, was wir zu tun hatten, war, einen Satz Molekülmodelle zu bauen und damit zu spielen – wenn wir ein bißchen Glück hatten, würde die Struktur eine Spirale sein. Jede andere Art der Anordnung würde sich als ungleich komplizierter erweisen. Aber solange die Möglichkeit einer einfachen Lösung nicht ganz auszuschließen war, wäre es ja verrückt gewesen, sich wegen etwaiger Komplikationen Sorgen zu machen. Pauling hatte seien Erfolge auch nicht dadurch erzielt, dass er das Haar in der Suppe suchte.
Der Fortgang ihrer Experimente zeigte jedoch, dass die Lösung komplizierter war als bei der Entdeckung der Alpha-Spirale:
In der Alpha-Spirale ist eine einzige Polypetidkette (Polypetid = Ansammlung von Aminosäuren) zu einem spiralförmigen Gebilde eingerollt, das durch Wasserstoffbindungen zwischen Gruppen derselben Kette zusammengehalten wird. Aber nach dem, was Maurice Francis erzählt hatte, war der Durchmesser eines DNS-Moleküls größer, als dies der Fall sein würde, wenn nur eine einzige Polynukleotidkette (Polynukleotid = Ansammlung von Nukleotiden) vorhanden war. Das hatte ihn auf den Gedanken gebracht, das DNS-Molekül könne eine mehrsträngige aus mehreren untereinander geschlungenen Polynukleotidketten bestehende Spirale sein.
Erst nach unzähligen fehlgeschlagenen Versuchen kam Watson die entscheidende Idee:
Plötzlich erkannte ich die möglicherweise ungeheure Tragweite einer DNS-Struktur, in der die Adenin -Reste Wasserstoffverbindungen bildeten, wie sie ganz ähnlich in Kristallen von reinem Adenin vorkamen. Wenn die DNS tatsächlich diese Eigenschaft hatte, dann bildete jeder Adenin-Rest zwei Wasserstoffbindungen mit einem anderen Adenin-Rest, der im Verhältnis zu ihm um 180 Grad gedreht war. … Trotz des verkorksten Skeletts begann mein Puls schneller zu gehen. Wenn die DNS wirklich so aussah, und ich meine Entdeckung bekannt gab, würde die Nachricht wie eine Bombe einschlagen. Die Existenz zweier verschlungener Ketten mit identischen Basenfolgen konnte kein bloßer Zufall sein.
An der Entdeckung der Doppel-Helix waren neben Watson und Crick noch andere Forscher – direkt oder indirekt – beteiligt. Neben Pauling waren das Erwin Chargaff, der übrigens kein gutes Haar an Watson und Crick ließ, Maurice Wilkins und vor allem Rosalind Franklin. Einige halten Franklin für die eigentliche Entdeckerin der Doppel-Helix. Der Beitrag Die vergessene Entdeckerin der Doppelhelix ist dafür stellvertretend.
Vor einigen Jahren sorgte James Watson für Empörung, als er sich mit der Aussage zitieren ließ, die Intelligenz der verschiedenen Ethnien sei unterschiedlich, woraufhin ihm das Cold Spring Harbor Laboratory die Position als Kanzler entzog.
Im Jahr 2014 ließ Watson seine Nobelpreis-Medaille bei Christies für 4,8 Millionen Dollar versteigern.