Von Ralf Keuper

Redundanz hat in einer auf Effizienz getrimmten Gesellschaft und Wirtschaft den Rang eines – bestenfalls – nötigen Übels. Dabei ist die Stabilität sozialer, technischer, ökologischer und wirtschaftlicher Systeme auf Redundanz angewiesen.

Die Sicht des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI)[1]Redundanz Modularität Skalierbarkeit:

Das bewährteste und bekannteste Mittel zur Sicherstellung der Verfügbarkeit technischer Einrichtungen ist die Redundanz. Im einfachsten Fall ist damit gemeint, dass einem erforderlichen System ein weiteres zur Seite gestellt wird, das bei Ausfall des ersten Systems dessen Funktion übernimmt.

In einem solchen Fall werden somit zwei Systeme vorgehalten, obwohl für den normalen Betrieb ein System reichen würde. Allein dieses einfache Modell zeigt neben dem Nutzen der verbesserten Verfügbarkeit zugleich den Nachteil von Redundanz auf: Redundanz ist unausweichlich mit der Bereitstellung von Überkapazität verbunden.

Der Anthropologe und Evolutionstheoretiker Gregory Bateson:

.. Redundanz ist zweifellos in biologischen Systemen eher die Regel als die Ausnahme, und das gilt auch für alle anderen Systeme der Organisation, Differenzierung und Kommunikation. In all diesen Systemen ist Redundanz eine wichtige und notwendige Quelle von Stabilität, Voraussagbarkeit und Integration[2]Ökologie des Geistes.

Aus Sicht der Regionalentwicklung:

Das wirksamste evolutorische Gegengift gegen diese Gefahr einer kontinuierlichen Perfektionierung von Unzulänglichkeiten ist der Verzicht auf Maximaleffizienz und Optimalität: Durch die Tolerierung unterschiedlicher (nicht-optimaler) Entwicklungspfade erhöht er die Varianz von Entwicklungsoptionen und erweitert damit sozusagen den genetischen Pool für die Entwicklung neuer Lösungen (Fisher 1930; Mayr 1980). Das Nebeneinander dieser nicht-optimalen Pfade ist der »primary proof that evolution has occurred, since optimal designs erase all signposts of history« (Gould 1987: 14). In diesem Sinne wird Entwicklung nicht durch einen von Knappheit oktroyierten (geradlinigen) »one best way« vorangetrieben als vielmehr durch eine »verschwenderische« Produktion von (kurvenreichen) Entwicklungspfaden, die Optionen offenhalten[3]Lob der Verschwendung Redundanz in der Regionalentwicklung: Ein sozioökonomisches Plädoyer.

Und weiterhin: Resilienz, Raum und Steuerung

Frerenc Biedermann plädiert für die Einführung des Begriffs der „Intentionalen Redundanz“[4]Intentionale Redundanz – Plädoyer für einen Begriff.

Im Falle natürlicher Systeme sind Redundanzen das unbewusste Resultat evolutionärer Auslese. (Systeme, die ihr Bestehen nicht mittels Redundanzen absicherten, sind früher oder später wieder verschwunden.) Der Mensch als vernunftbegabtes Wesen ist jedoch in der Lage, die Vorteile von Redundanz zu erkennen und diese im Alltag und in seinen Schöpfungen gezielt einzusetzen. In diesem Fall kann man von „intentionaler Redundanz“ sprechen. Intentionale Redundanz findet sich beispielsweise in Raumfahrzeugen, wo mehrere identische Bordcomputer vorhanden sind für den Fall, dass einer davon ausfällt. Ein weiteres Beispiel sind Notstromaggregate, mit denen sich unter anderem Krankenhäuser gegen die Gefahr eines Stromausfalls wappnen.

In der Betriebswirtschaftslehre werden die Vor- und Nachteile der Redundanz unter dem Begriff „Organizational Slack“[5]Das Management des Organizational Slack behandelt. Redundanz kann durchaus zu Innovation führen; muss es aber nicht zwangsläufig[6]Innovationsmanagement: Kann Organizational Slack zur Innovation führen?.

Alles in allem: Redundanz ist bei näherer Betrachtung besser als ihr Ruf.