Von Ralf Keuper
Der berühmte Verhaltensforscher Konrad Lorenz hat sich immer wieder mit philosophischen Fragen beschäftigt. Nicht von ungefähr war er für einige Jahre Inhaber des Kant-Lehrstuhls der Universität Königsberg. Zeitlebens verband ihn eine Freundschaft mit seinem Spielkameraden aus gemeinsamen Kindertagen in Wien – Karl R. Popper.
Jedoch soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass seine Rolle während des Nationalsozialismus, gelinde gesagt, nicht ganz unumstritten ist.
Besonders nahe fühlte sich Konrad Lorenz der Philosophie Nicolai Hartmanns, die häufig als Kritischer Realismus bezeichnet wird. Für Lorenz stimmte die Schichtenlehre Hartmanns in zentralen Punkten mit den Erkenntnissen der Evolutionstheorie überein.
In seinem Buch Die Rückseite des Spiegels. Versuch einer Naturgeschichte menschlichen Erkennens legte Lorenz die Grundzüge des von ihm propagierten Hypothetischen Realismus dar.
Als Naturforscher interpretiert Lorenz den Menschen und seine Erkenntnisfähigkeit als Produkt der Evolution.
Später erläutert Lorenz dann sein Verständnis eines Hypothetischen Realismus:
Wenn man das eine Mal den Blick auf unseren Weltbildapparat richtet und das andere Mal auf die Dinge, die er schlecht und recht abbildet, und wenn man beide Male, trotz der Verschiedenheit der Blickrichtung, Ergebnisse erzielt, die >Licht aufeinander werfen<, so ist dies eine Tatsache, die nur aufgrund Annahme des hypothetischen Realismus erklärt werden kann, der Annahme nämlich, dass alle Erkenntnis auf Wechselwirkung zwischen dem erkennenden Subjekt und dem erkannten Objekt beruht, die beide gleichermaßen wirklich sind. .. Wann immer eine kleine Zunahme des Wissens über unseren Weltbildapparat eine neue kleine Korrektur des Bildes erheischt, das er von der außersubjektiven Realität entwirft, und wann immer umgekehrt ein kleiner Fortschritt unseres Wissens um das an sich Seiende uns in den Stand setzt, eine neue Kritik an unserem >perceiving apparatus< zu üben, wächst unsere Berechtigung, unsere Erkenntnistheorie für richtig zu halten, deren Natürlichkeit nicht mit Naivität verwechselt werden darf.
Im weiteren Verlauf des Buches setzt sich Lorenz u.a auch kritisch mit dem Hang zum Reduktionismus bzw. Isomorphismus in den (Natur-) Wissenschaften auseinander, wie er z.B. in der Hirnforschung nach wie vor auf fruchtbaren Boden fällt:
Es ist metaphysische Spekulation, wenn z.B. ein radikaler Mechanizismus das ganze Weltgeschehen mit dem Geschehenskategorien und Gesetzlichkeiten der klassischen Mechanik erklären will, die dazu ganz einfach nicht ausreichen. Wenn der Mechanizist gleichzeitig die höheren Eigengesetzlichkeit vernachlässigt oder gar leugnet, durch die sich höhere Schichten von den tieferen absetzen und über sie erheben, so entsteht der leicht einzusehende, aber schier unausrottbare Fehler der Grenzüberschreitung >nach oben<. Alles sogenannten >Ismen<, wie Mechanizismus, Biologismus, Psychologismus usw. maßen sich an, die für höhere Schichten kennzeichnenden und ihnen allein eigenen Vorgänge und Gesetzlichkeiten mit den Geschehenskategorien der tieferen zu erfassen, >was einfach nicht geht<.
Weitere Informationen:
Physik und Metaphysik: Philosophische Falschmünzer
Konrad Lorenz’ Philosophie in Klosterneuburg weitergelebt