Der große französische Soziologe Pierre Bourdieu zählte zeitlebens zu den schärfsten Kritikern eines Ökonomismus, der den Menschen als stets rational handelnden und auf Nutzenmaximierung bedachten Homo Oeconomicus interpretiert. Demgegenüber hob er in seinen Schriften immer wieder die Tatsache hervor, dass wirtschaftliche Beziehungen nicht von sozialen Faktoren getrennt werden können, wie u.a. auch die Theorien des sozialen Austauschs nach Peter Blau und George Caspar Homans betonten. 
Als zentralen Begriff führte er das Symbolische Kapital ein. Wenngleich sein Wert nicht in derselben Weise bestimmt werden kann wie der von Waren, Geld oder Güter,  ist es für ihn eines der wesentlichen Elemente im Tauschverkehr – auch auf dem “klassischen” Markt. 

In seinem Buch Sozialer Sinn – Kritik der theoretischen Vernunft schreibt Bourdieu:

Symbolisches Kapital gilt sogar auf dem Markt: genau wie man sich rühmen kann, etwas für einen schwindelerregenden Preis erstanden zu haben, als Ehrensache, um zu zeigen, “dass man sich’s leisten kann”, kann man damit protzen, ein Geschäft ohne einen Pfennig Bargeld abgeschlossen zu haben, entweder durch Aufbietung einer gewissen Zahl von Bürgen oder noch besser durch Kredit und Vertrauenskapital auf einem Ruf von Ehrbarkeit und Wohlstand. Dank des Vertrauens, das sie genießen, und des akkumulierten Beziehungskapitals können die, von denen es heisst: “er bringt es fertig und kommt mit dem ganzen Markt zurück, obwohl er mit leeren Händen hingegangen ist”, es sich leisten, “als Geld bloß ihr Gesicht, ihren Namen, ihre Ehre auf den Markt mitzunehmen” und sogar “zu steigern, ob sie Geld dabei haben oder nicht”. Das Urteil der Gemeinschaft, das den “Mann des Marktes” ausmacht, ist ein Gesamturteil über den ganzen Menschen, das sie wie alle derartigen Urteile in allen Gesellschaften auf höchste Werte bezieht und das streng personengebundene Eigenschaften, von denen es heisst, dass sie “weder verliehen noch geborgt werden können”, mindestens ebenso berücksichtigt wie Wohlstand und Solvenz. 

Wenn man weiss, dass symbolisches Kapital Kredit ist, und dies im weitesten Sinne des Worts, d.h. eine Art Vorschuss, Diskont, Akkreditiv, allein vom Glauben der Gruppe jenen eingeräumt, die die meisten materiellen und symbolischen Garantien bieten, wird ersichtlich, dass die Zurschaustellung des symbolischen Kapitals einer der Mechanismen ist, die dafür sorgen, dass Kapital zu Kapital kommt.  

Noch heute wird die Redewendung gebraucht, jemand bezahle mit seinem/ihrem guten Namen. Eng damit verbunden ist die Reputation der betreffenden Person. Inzwischen machen auch Institutionen mit der Macht des Symbolischen Kapitals Bekanntschaft, die in dieser Form bisher kaum davon Notiz nahmen. In dem Text taucht nicht umsonst das Wort Vertrauenskapital auf. Gefährlich für Personen wie für Institutionen wird es demnach dann, wenn das Symbolische Kapital schwindet und der “Kredit” verspielt ist. 

Weiterhin brauchbar ist der Begriff im Zusammenhang mit dem Beziehungskapital, das gerade mit Blick auf Social Media wie überhaupt dem Social Business noch an Bedeutung gewinnen wird. 

Bourdieu hätte uns dazu sicherlich noch viel zu sagen.

Ein Gedanke zu „Pierre Bourdieu – Symbolisches Kapital als Kreditform“

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