Als sich Peter Molzberger, Professor für Informatik .., mit der Arbeitsweise von Spitzenprogrammieren beschäftigte, wurde der Informatiker zum Hirnforscher. Denn ausgerechnet die Leuchten der Computergesellschaft, deren Tätigkeit wie keine andere mit kühler Logik identifiziert wird, hatten ihn in langen Gesprächen davon überzeugt, dass schöpferische Arbeit keineswegs eine intellektuelle, sondern in erster Linie eine “gefühlsmäßige” Leistung sei; dass die Entwicklung hochkomplexer Software wenig mit Systematik, dafür aber um so mehr mit Visionen, wenig mit analytischem Denken, dafür viel mit Ästhetik zu tun habe.  

“Ich bin wie ein Bildhauer, ich gestalte etwas”, hatte ihm ein Superprogrammierer, der bis zu 1.500 Statements am Tag entwerfen, codieren und zum Ablauf bringen kann, erzählt. Und er ergänzte: “Das, was ich mache, geschieht wie in Trance und ich frage mich hinterher: Wer hat das Programm eigentlich entworfen?” Erst wenn sich die Grundstruktur komplett in seinem Kopf ausgeformt habe, beginne er mit der Niederschrift. Die verlange zwar starke Konzentration, sei aber letztlich Routinearbeit. Ästhetische Eleganz gebe ihm die Gewißheit, dass das Werk fehlerfrei sei. Testen muss er es dann nicht mehr unbedingt, denn “wenn es ästhetisch ist, dann stimmt es auch”.  

“Ein Programm ist für mich ein dreidimensionales Gebäude mit Treppenhäusern, Fluren, Räumen und Versorgungsleitungen, in dem ich umhergehen kann”, beschrieb ein anderer Spitzenprogrammierer dem Professor seine visionäre Art zu denken. “Wenn ich Fehler finden will, muss ich mich seitlich daneben stellen, um die richtige Perspektive zu haben”. … 

“Für mich steht fest, dass hervorragendes Programmieren eine Tätigkeit ist, die mit Intuition mehr zu tun hat als mit rationalem Denken”, resümiert Molzberger. Dumpfe halbbewusste Gewissheiten entwickelten sich zu einem mentalen Bild, das oft mühsam in eine sprachliche Form gefasst werde. Der Professor: “Es ist eine Synthese von Funktionen, die wir der rechten und linken Hirnhälfte zuordnen”. 

Quelle: “Ich bin wie ein Bildhauer”. Softwareentwicklung als künstlerische Leistung, manager magazin 1/88
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