Von Ralf Keuper
Vor einiger Zeit äußerte sich der kürzlich verstorbene Dirigent Nikolaus Harnoncout in einem Interview mit der SZ über die Herausforderungen der Musik angesichts des Perfektionszwangs, der z.T. skurrile, der Kunst abträgliche Formen annehmen kann, wie in den amerikanischen und britischen Orchestern. Dort gehe es in erster Linie um die möglichst fehlerfreie Wiedergabe, wobei schon drei sog. “Kiekser” dazu führen können, dass ein Musiker seine Stellung verliert. Ergebnis sei ein Klangkörper, der wie eine Maschine funktioniere. Musikaufführungen, die Interpretation großer Werke seien jedoch nicht ohne Risiko zu haben:
… wenn das überhand nimmt, dann müssen wir ganz aufhören; das ist das Ende der Kunst. Das ist so ziemlich das Ärgste, was es gibt. Die Risikofreiheit resultiert. Es will kein amerikanische Musiker einen Kiekser machen. Das heisst, Schönheit und Sicherheit sind nicht kompatibel. Je schöner etwas ist, desto riskanter ist es. … Wir kommen nie an den höchsten Punkt, aber ganz knapp neben der höchst erreichbaren Schönheit ist der Abgrund – und der Absturz. Dort haben wir uns hinzubegeben, wir haben nicht in der Sicherheitszone herumzuwursteln. (in: Wir müssen an den Abgrund gehen. SZ vom 8. März 2016)