Wo immer die aristotelische Denkart Einfluss gewann, hat sie zur logischen Schulung, zur Bildung großer Zusammenhänge, zur Sicherung eines festen Grundstocks der Arbeit, zur Austreibung von Willkür und Subjektivismus gewirkt. Auf ihrem erziehenden und befestigenden Wirken ruht auch die moderne Kultur und Wissenschaft.
Unleugbar wurde solcher Gewinn oft teuer erkauft. In Zeiten minderer geistiger Spannung konnte das Gewicht und die Geschlossenheit des aristotelischen Systems das eigene Denken erdrücken, seine festgewurzelte Autorität duldetet nichts Neues, das engverschlungene Netz seiner Begriffe ließ nicht leicht wieder los, die sich darin verfangen hatten. Das aber ist weniger die Schuld des Meisters als die der Schüler, die ihm keine Selbständigkeit entgegenbrachten.
Quelle: Rudolf Eucken – Die Lebensanschauungen der großen Denker