die Philosophie .. beginnt damit, dass sie das Unverstandene und Rätselvolle im Selbstverständlichen entdeckt. 

Aber auch abgesehen hiervon, man kann doch nicht um des Menschen und seiner Aktivität willen die übrige Welt vernachlässigen. Ist doch der Mensch mitten in sie hineingestellt und lebt er doch in unübersehbar mannigfaltiger Abhängigkeit von ihr. Der extreme Aktivismus will von solcher Abhängigkeit nichts wissen; er wittert hinter ihr sofort einen allgemeinen Determinismus, der alle Selbsttätigkeit und Freiheit vergewaltigt. Dass er diesen ablehnt, ist sein gutes Recht. Dass er aber voraussetzt, Abhängigkeit in bestimmter Hinsicht stelle schon eine Bedrohung menschlicher Freiheit dar, ist sein Vorurteil. Freiheit ohne Abhängigkeit und Widerstand wäre ein müheloses Spiel ohne Kampf und ohne des Ernst des Einsatzes. …

Auch die Freiheit ist nur möglich in einer Welt, gegen deren Determination sie sich abhebt und durchsetzt. Wer die Augen verschließt sie auch vor dem Wesen der eigenen Aktivität und des eigenen Könnens. Denn dem Geiste ist keine Allmacht gegeben, sondern begrenzte Macht; und ebenso begrenzte Macht; und ebenso begrenzt ist seine Freiheit – überall gebunden an Bedingungen der Verwirklichung, die nicht er geschaffen hat, die ihm aber sehr wohl Spielraum eigener Initiative lassen. Diesen Spielraum herauszufinden inmitten der mancherlei Beschränkung durch bestehende Gesetzlichkeit des Seienden, ist schon das Werk selbsttätigen geistigen Eindringens, und es erfordert den unablässigen Einsatz der intellektuellen Kräfte, sowohl im Leben und Lernen des Einzelnen als auch im geschichtlichen Gange der sich häufenden Einsichten, Entdeckungen und Erfindungen. 

Quelle: Nicolai Hartmann. Neue Wege der Ontologie