Von Ralf Keuper

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die EU-Kommission in den letzten Monaten Pläne zur Privatisierung der Wasserversorgung vorangetrieben. Gestern nun stimmte der Binnenmarktausschuss im Europäischen Parlament dem Vorhaben mit leichten Änderungen zu. Im April steht die Abstimmung im Parlament an, das dem Votum des Ausschusses folgen dürfte.
Die neuen EU-Regeln für die öffentliche Vergabe von Dienstleistungen gelten nicht für reine kommunale Wasserversorger, sondern “nur” für Mehrsparten-Unternehmen. Da die Mehrzahl der kommunalen Wasser-versorger als Teil der Stadtwerke aber zu den Mehrsparten-Unternehmen zählt, sind die Auswirkungen weitreichender, als es auf den ersten Blick erscheinen mag.
Heftige Kritik an dem Entwurf kommt daher u.a. vom Verband kommunaler Unternehmen und vom Präsidenten des Deutschen Städtetages, dem Münchener OB Christian Ude.

Bereits im Dezember berichtete das Politmagazin Monitor von der Geheimoperation Wasser. Was uns hier quasi durch die kalte Küche von EU-Kommissar Michel Barnier serviert wird, ist allen Beschwichtigungen zum Trotz, ein weiteres Kapitel neoliberaler Wirtschaftspolitik (oder vielleicht treffender: Marktradikalismus), die das Wasser zum Spekulations- und Renditeobjekt macht. Das dürfte bei den Vertretern der Nahrungsmittelindustrie Freude auslösen, wie z.B. bei Nestlé-Konzernchef Peter Brabeck, der bereits vor einiger Zeit in einem Interview seine Ansichten zum öffentlichen Gut Wasser von sich gab. 

Überhaupt ist der Nestlé-Konzern, wie man dem sehenswerten Film Abgefüllt entnehmen kann, neben Pepsi und Coca Cola einer der Key-Player auf dem internationalen Wassermarkt. Weitere einflussreiche Akteure sind Suez /Ondeo und Veolia.

Die verschiedenen Kommentare und Stellungnahmen betrachten das Thema meistens aus ökonomischer Sicht und verweisen dabei auf die Theorie Öffentlicher Güter
Ein Öffentliches Gut zeichnet sich durch seine Nicht-Ausschließbarkeit aus, d.h. niemand darf von dem Konsum dieses Gutes ausgeschlossen werden. Es gehört quasi allen. 
Wasser ist nach Ansicht der Kritiker der Privatisierung ein  öffentliches Gut par excellence. Eine Privatisierung, deren Merkmal die Ausschließbarkeit der Güter ist, steht dazu im Kontrast. Ohne Eigentum an einem Gut ergibt deren Verwertung aus betriebswirtschaftlicher Sicht, die auf eine möglichst hohe Rendite zielt, keinen Sinn. 

In der wissenschaftlichen Diskussion stehen sich verschiedene Positionen gegenüber. Während Elmar Altvater, u.a. wissenschaftlicher Berater von Attac, einer Privatisierung ehemals öffentlicher Güter kritisch gegenüber steht, sind die Vertreter des Ordoliberalismus, wie Theresia Theurl, da deutlich offener. Irgendwo dazwischen befindet sich Birger Priddat, der öffentliche Güter als politische Güter interpretiert. 
Allen Unterschieden in der Argumentation zum Trotz, sind sich die genannten Autoren weitgehend darin einig, dass Öffentliche Güter nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch betrachtet werden müssen. Wie nicht anders zu erwarten, hat Theresia Theurl ihre Zweifel, spricht sich aber nicht definitiv gegen eine politische Sicht aus.
Während Theurl und Priddat sich im sowohl als auch verheddern, bezieht Altvater eine klare Position. 

Aufgrund ihres vielschichtigen Charakters ist die Bestimmung dessen, was ein Öffentliches Gut ist, eine Definitionssache, die für Altvater in den öffentlichen Raum gehört. 

Die Erfahrungen mit der Privatisierung der Wasserversorgung sind nicht wirklich ermutigend, wie die taz berichtet. 

In seinem Buch Everything for Sale. The Virtues And Limits of Markets argumentierte Robert Kuttner bereits 1999 gegen die schon damals weit um sich greifende Privatisierungswelle: 

Economists have long accepted the proposition that public goods, which are nonrival und nonexcludable, must be provided by government. But the recent swing to extreme conservatism, and the conviction that unleashed market forces can accomplish almost anything, has led to a trivialization of the significance of public goods.  

Ohne sie direkt anzusprechen, weist Kuttner auf die Bedeutung Öffentlicher Güter, wozu für mich auch die Wasserversorgung gehört, für den Zusammenhalt der Gesellschaft hin:

A still broader goal is to vouchsafe the environment to future generations, or to achieve hight living standards at lower overall environmental costs. These are cvic goals that myopic markets cannot identify. So the purpose of public policy in this realm is not just compensate passively for market imperfections, but to ratify public values and stimulate social learning. (ebd.)

Kurzum: Wasser ist ein Öffentliches Gut und keine Handelsware. Die European Citizen´s Initiative liegt daher richtig, wenn sie Wasser zum Grundrecht erklärt. 

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