Von Ralf Keuper
Angesichts der aktuellen “Performance” der deutschen Wirtschaft scheint es müßig, darüber nachzudenken, ob denn das Geschäftsmodell unserer Volkswirtschaft wirklich so gut ist, wie es die Zahlen, jedenfalls für viele, nahezulegen scheinen. 
Dass es sich hierbei keineswegs nur um eine rein akademische Diskussion handelt, zeigen nicht zuletzt die jüngsten Sparmaßnahmen von VW sowie die Haltung der anderen deutschen Automobilhersteller, die trotz hoher Gewinne nicht so recht in Jubellaune fallen wollen, wie Thomas Fromm in der SZ vom 02. März 2015 in Alarmstufen schreibt. Die Stimmung vermiest hat – wie in anderen Branchen zuvor – Apple und die Gerüchte, dass das Unternehmen demnächst mit einem iCar in das Automobilgeschäft einsteigen könnte. Ähnliche Ziele verfolgt Google bereits seit Jahren, ohne so richtig von der Stelle zu kommen. Sollte Apple jedoch tatsächlich bis 2020 ein eigenes (selbstfahrendes) Automobil auf die Straße bringen, dann könnte damit für die Paradedisziplin der deutschen Wirtschaft ein epochaler Wandel anbrechen. Schon nehmen die Automobilhersteller mit Sorge zur Kenntnis, dass Apple derzeit auffallend viele Autoexperten abwirbt. Vor einigen Tagen ging das Gerücht um,  Apple könne den innovativen Automobilhersteller Tesla kaufen. Das Geld dazu hat Apple allemal. Sie könnten auch locker Daimler oder BMW kaufen. 
Die Fahrzeuge der deutschen Premiumhersteller zeichnen sich nicht gerade durch niedrige Preise und geringen Spritverbrauch aus. Ohne Absatzfinanzierung und Firmenwagen sähe die Bilanz wohl nicht ganz so gut aus. Der Kostenapparat bei den Herstellern und Zulieferern, die “sunk costs”, sind schon jetzt immens, die Pfadabhängigkeit ganzer Regionen von der Automobilwirtschaft, wie Stuttgart, München und Wolfsburg, ist beträchtlich und erinnert an die Monostruktur im Ruhrgebiet während der “guten Jahre”.
Bisher hat die deutsche Wirtschaft noch immer rechtzeitig auf die sich verändernde Umwelt, auf neue Technologien reagiert. Jedoch liegt die Stärkte der deutschen Wirtschaft traditionsgemäß in der Anwendung und weniger in der Erfindung bzw. Entwicklung neuer Produkte und Technologien. Ein nicht zu unterschätzender Nachteil in der digitalen Wirtschaft. Hier kommen die Neuerungen fast ausschließlich aus den USA und verstärkt aus Asien; selbst Afrika ist hier dynamischer. 
Wie kann die deutsche Wirtschaft ihre Stärke in der Anwendung und Verfeinerung bestehender Technologien in der Digitalisierung zur Entfaltung bringen? Was für Anwendungsfälle sollten das sein – im Automobilbau, Telekommunikation, Medien, Unterhaltungselektronik, in der Softwareentwicklung, im Handel und vielleicht auch demnächst im Maschinenbau? Im Bereich Medien ist selbst Bertelsmann nur noch zweite Liga, in der Unterhaltungselektronik sieht es noch schlechter aus, in der Softwareentwicklung hat lediglich SAP noch Weltformat und in der Herstellung von Smartphones spielen deutschen Hersteller von schon lange keine Rolle mehr. Von anderen mobilen Endgeräten ganz zu schweigen. Kann es sein, dass unser Geschäftsmodell zu industrielastig ist? 

Kaum. Denn die Industrie ist heute selber von neuen Kommunikationstechnologien durchdrungen, dass die Trennung von Industrie und digitale Ökonomie künstlich ist, wie u.a. Birger Priddat in Die Modernität der Industrie schreibt. Eine Spitzenposition nimmt Deutschland noch immer in der chemischen Wirtschaft ein. 
Trotzdem muss Deutschland aufpassen, dass es nicht zur verlängerten Werkbank mutiert, was aufgrund unserer Lohn- und Produktionskosten ohnehin kaum realisierbar ist. Die Automobilindustrie, wie wir sie kannten und noch kennen, wird es auf Dauer nicht mehr geben. Es wird, ob durch Apple, Tesla, Google oder wen auch immer, zu deutlichen Macht- und Marktverschiebungen kommen. Die deutschen Hersteller und ihre Zulieferer werden sich darauf einstellen müssen. 
Wir brauchen stattdessen neue “Geschäftsfelder”, die zu unseren Stärken in der Anwendung und Optimierung, zu unserem Wirtschaftsstil passen. Oder brauchen wir auch einen neuen Wirtschaftsstil?
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