Von Ralf Keuper

Der lang gehegte Traum einer Wirtschafts- und Gesellschaftsform, in der jeder, ohne auf die Hilfe der Industrie und des Handels angewiesen zu sein, die Möglichkeit hat, Produzent von Gütern und Anbieter von Dienstleistungen zu sein, scheint zum Greifen nah. Ermöglicht wird dieser epochale Wandel durch das Internet und 3D-Drucker. Um dieser neuen Produktionsform zum Durchbruch zu verhelfen, hat sich die Maker-Bewegung gebildet, deren prominenteste Anhänger Chris Anderson und Jeremy Rifkin sind. Chris Anderson hat seine Gedanken unlängst in Makers – Das Internet der Dinge: die nächste industrielle Revolution noch ganz altmodisch zwischen zwei Buchdeckel gepackt. 

In einem Interview mit dem Deutschlandradio Kultur antwortet Anderson auf die Fragen von Katrin Heise zum Zukunftspotential der neuen Industriellen Revolution und zu möglichen Gefahren. 
Für Anderson liegen die Vorteile, die sich aus dem Internet der Dinge ergeben, darin, dass im Gegensatz zu früheren Zeiten heute jeder mit einem 3D-Drucker einen Prototypen herstellen und durch Internet-Fabriken zur Marktreife bringen kann, um das fertige Produkt dann auf einem der vielen Internet-Marktplätze zu verkaufen. Der Einkauf der benötigten Materialien erfolgt ebenfalls per Internet, beispielsweise bei E-Bay. 

Jeder wird damit quasi zu einem Selbstversorger, eine Produktionsinsel im großen weiten Internet der Dinge. Design, Produktion und Vertrieb aus einer Hand. Händler mit Monopolstatus werden, wenn überhaupt, nur in Ausnahmefällen benötigt. 

Vorläufer gab es mit dem Verlagssystem bereits im Mittelalter. Prägend für diese Organisationsform war die dezentrale Produktion. Heimwerker stellten Textilien her, die von den Verlegern vermarktet wurden. Dabei fungierten die Verleger auch als Finanzierer, indem sie das Geld für die Rohstoffe vorstreckten. 

Daneben waren es die Manufakturen, die Vorläufer der Fabriken, die unter ihrem Dach Handwerker aus den unterschiedlichsten Ständen vereinten. Hergestellt wurde keine Massenware, auch Serien waren die Ausnahme. Meistens war jedes Produkt ein Unikat. 

Das Internet der Dinge verspricht nun, die Defizite der genannten Organisationsformen aufzuheben und mit der Massenfertigung zu kombinieren, ohne deren Nachteile zu übernehmen. Monopole oder Oligopole gehören im Zeitalter weitgehender Autarkie der Vergangenheit an. 

So weit so gut.

Bisher allerdings hat die digitale Revolution, als Vorläufer der neuen industriellen Revolution, eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem Industriezeitalter. Die Zahl der Akteure mit Einfluss ist überschaubar; der Markt wird von einem Oligopol aus Apple, Microsoft, Google, Amazon, facebook und twitter dominiert. Daneben versuchen noch einige Medien- und Telekommunikationskonzerne ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Die große Masse hat dagegen kaum Marktmacht. 

Dietmar Dath bemängelt in einem Interview mit DRadio die blinden Flecken der Maker-Bewegung. So sieht er die Gefahr, dass die Kleinproduzenten im Internet der Dinge der Macht der Oligopolisten hilflos ausgeliefert sind. Denn auch in der neuen industriellen Revolution wird es Unternehmen geben, die im großen Stil die Bedürfnisse der vielen Produzenten und Konsumenten decken werden. Ohne eine gewisse Mindestgröße und das nötige Kapital ist das nur schwer zu schaffen. Die Materialien für die Produktion mit 3D-Druckern wie auch die Drucker selbst, werden bei steigender Nachfrage standardisiert und in großen Mengen hergestellt. Die Bereitstellung, Wartung und der Ausbau der nötigen Infrastruktur wird ebenfalls nur von einigen wenigen Unternehmen mit der nötigen Finanz- und Marktmacht aufgebracht werden können. Die vielen Kleinproduzenten dagegen sind, auf sich allein gestellt, nicht in der Lage ein Gegengewicht zu bilden. Hierfür müssten sie sich zusammenschließen, was nach Dath aber wegen der Atomisierung der Produzenten-Szene kaum möglich ist. Demnach tauchen auch hier wieder die alten Konflikte aus den Anfängen der Industrialisierung auf, die erst durch die Bildung von Parteien und Gewerkschaften entschärft werden konnten. Ein Einwand, den auch Chris Anderson in dem Interview mit Katrin Heise nicht völlig entkräften konnte. 

Für ihn ist die Macht von Google & Co. trotzdem begrenzt. Die Individuen haben, wie er am Beispiel YouTube zeigen will, das Internet okkupiert, quasi in ihren Besitz und unter ihre Kontrolle gebracht, ganz gleich, wer der wirtschaftliche und juristische Eigentümer des Programms ist. 

Kann man so sehen. 

Eine konträre Sicht hat z.B. Katja Kullmann

Ein interessanter Einwand von Katrin Heise, neben dem Hinweis auf das Problem der Produktpiraterie, war die Frage, ob denn jeder bzw. die meisten Menschen überhaupt gewillt sind, in die Produzenten-Rolle zu schlüpfen. Auch im Web 2.0 ist die Mehrzahl als Konsument und nicht als Produzent unterwegs. 
Die Frage ist, ob unser aktuelles Gesellschaftssystem überhaupt die Voraussetzungen erfüllt, um eine industrielle Revolution, wie von der Maker-Bewegung propagiert, durchführen zu können. Wir befinden uns nach wir vor in einer Massengesellschaft, in der die Teilsysteme durch Standardisierung und Konformität aufeinander eingestellt sind. Unser aktuelles Bildungssystem bildet da – allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz – keine Ausnahme.

Deswegen ist unter den aktuellen Voraussetzungen die Vermutung nicht zu weit hergeholt, dass die Demokratisierung der Produktionsmittel statt Befreiung zu sein, in einer Zuchthausrevolte enden könnte. 

Schaun mer mal.

Schreibe einen Kommentar