Vielleicht lernen wir am meisten, wenn wir uns bewusst machen, wie der soziale Wandel sich auf unsere Theorien über die Jugend auswirkt. Zum Beispiel habe ich einmal den Begriff eines, im Jugendstadium eintretenden, psychosozialen Moratoriums geprägt – einer Phase, da der junge Mensch teils jugendliche, teils erwachsende Verhaltensformen ausleben oder jedenfalls experimentell erproben und schließlich doch zu einer großartigen Übereinstimmung mit traditionellen Idealen oder neuen ideologischen Tendenzen finden kann. Ein echtes Moratorium befreit natürlich vom Zeitdruck, wie es auch Spielraum für zeitlose Werte gibt. Da es per definitionem einmal zu Ende gehen muss, erwarten wir, dass darauf eine Zeit energischer, zielgerichteter Aktivität folgt. Früher beklagten die Erwachsenen das Ende dieses Moratoriums oft als unwiederbringlichen Verlust potentieller Identitäten, die den Anforderungen des Lebens geopfert werden mussten. Heute erklären die Wortführer der Jugend in Rede und Liedern, die Welt jenseits der Jugend sei leer und gesichtslos.

Quelle: Lebensgeschichte und historischer Augenblick