Wer, wie der Deutsche, hieß es in immer neuen Wendungen <<den Geist bildet, beherrscht>>, dem <<muss zuletzt die Herrschaft werden>>. In diesen vom Hochgefühl des deutschen Idealismus und des neuhumanistischen Bildungsgedankens durchtränkten Worten verband sind unüberhörbar die Skepsis, ob die Deutschen nach jahrhundertelanger Zersplitterung je einen gemeinsamen Nationalstaat schaffen könnten, mit der von intellektueller Arroganz nicht freien Gewissheit, dass ihnen statt dessen das kosmopolitische Ziel kultureller Weltbeglückung zu erreichen beschieden sei. Über alle politischen Wechselfälle hinweg blieb auch für Schiller – teil realistisch-resignativ, teils postulatorisch-prätentiös – die geistige Heimat der Gebildeten das eigentliche Reich der Deutschen. Die unsichtbare, unpolitische, staatenübergreifende <<Kulturnation>>, sie konstituierte das wahrhafte, das unvergängliche <<Deutschland>>, das durch seine Aufgabe als globaler, säkularisierter Heilsbringer welthistorisch überhöht wurde.
Quelle: Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1700 – 1815 von Hans-Ulrich Wehler