Die realen Kategorien sind aber in den Geisteswissenschaften nirgends dieselben als in den Naturwissenschaften. .. Keine reale Kategorie kann so, wie sie in der Naturwissenschaft gilt, für die Geisteswissenschaften Geltung beanspruchen. Wird das in ihr abstrakt ausgedrückte Verfahren auf die Geisteswissenschaften übertragen, so entstehen jene Grenzüberschreitungen des naturwissenschaftlichen Denkens, welche genau ebenso verwerflich sind als innerhalb der Naturwissenschaften das Hineintragen des geistigen Zusammenhangs in die Natur, aus dem die Naturphilosophie Schellings und Hegels hervorging. Es gibt in der geschichtlichen Welt keine naturwissenschaftliche Kausalität, denn Ursache im Sinne dieser Kausalität schließt in sich, dass sie nach Gesetzen mit Notwendigkeit Wirkungen herbeiführt; die Geschichte weiss nur von den Verhältnissen des Wirkens und Leidens, der Aktion und Reaktion.
Um gleichviel wie eine künftige Naturwissenschaft den Begriff von Substanzen als Trägern des Geschehens oder von Kräften als den Erwirkern desselben fortbilden mag zu neuen Begriffen: all diese Begriffsbildungen des naturwissenschaftlichen Erkennens sind für die Geisteswissenschaften irrelevant. Die Subjekte der Aussagen über die geschichtliche Welt vom individuellen Lebensverlauf bis zu dem der Menschheit bezeichnen nur eine bestimmte Art von Zusammenhang in irgend einer Abgrenzung. Und wenn die formale Kategorie des Verhältnisses vom Ganzen zum Teil diesem Zusammenhang und dem des Raumes, der Zeit, des organisierten Wesens gemeinsam ist, so erhält sie im Reich der Geisteswissenschaften aus dem Wesen des Lebens und dem ihm entsprechenden Verfahren des Verstehens erst einen eigenen Sinn, den eines Zusammenhanges, in welchem die Teile verbunden sind. Wobei auch hier nach dem Charakter der Evolution der in unsere Erfahrung fallenden Wirklichkeit das organische Leben als ein Zwischenglied zwischen der unorganischen Natur und der geschichtlichen Welt, sonach als eine Vorstufe der letzteren anzusehen ist.
Quelle: Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften