Von Ralf Keuper

Der Philosoph Wilhelm Schmid ist durch seine Veröffentlichungen zur Lebenskunst einem größeren Publikum bekannt geworden. Für Aufsehen sorgte er mit seinem aktuellen Buch Unglücklich sein – Eine Ermutigung. Wie nicht anders zu erwarten, fielen die Reaktionen auf das Buch unterschiedlich aus. Bei einem Vortrag der Arbeiterkammer Vorarlberg unter dem Titel Glück ist nicht das wichtigste im Leben geht Schmid in ca. 90 Minuten differenziert auf das Thema Glück ein.

Dabei leitet er den Begriff “Glück” zunächst einmal aus dem Mittelhochdeutschen ab, das er als Zufallsglück bezeichnet, d.h. Glück konnte auch in negativer Weise interpretiert werden. Da Glück nach diesem Verständnis ausschließlich vom Zufall abhängt, ist es ein Zeichen der Klugheit, sich für alle Formen des Zufalls offen zu halten – auch für die negativen. Denn: wer glaubt, sich nur den positiven Zufällen öffnen zu können, den wird gerade das Unglück treffen.
Zufallsglück, z.B. im Beruf oder in Beziehungen, macht nicht zwingend glücklich; es braucht unser Engagement, anderenfalls verflüchtigt es sich genauso schnell, wie es gekommen ist.

Das Wohlfühlglück hängt dagegen fast vollständig von uns ab. Zentrale Frage für uns ist: Was tut mir gut? Erstaunlicherweise, so berichtet Schmid aus seiner Erfahrung als philosophischer Seelsorger in einem Zürcher Krankenhaus, wissen viele genau das nicht. 
Für ihn selber ist eine Glücksquelle der morgendliche Kaffee in Ruhe eingenommen, am liebsten im Cafe. Diese Form des Glücks ist tatsächlich nach neurobiologischen Maßstäben messbar. Aber auch dieses Glück ist nicht von Dauer, kann und darf es auch gar nicht, da übermäßiges Glück zur Abstumpfung und damit zum Unglück führt. 

Als nächste Ausprägung des Glücks nennt Schmid das Glück der Fülle, wie es schon die antiken Philosophen wie Platon, Seneca und auch Epikur beschrieben. Für Schmid ist ein Leben in Polarität, das sowohl Lust und Schmerz umfasst, das einzige Glück von Dauer. 
Glück ist für Schmid daher auch nicht ohne Melancholie zu denken. Überhaupt ist er der Ansicht, das 95% aller als depressiv eingestuften Menschen im Grund “nur” melancholisch sind. 

Mit dem Glück untrennbar verbunden ist der Sinn, der wiederum eng mit den Sinnen des Menschen zusammenhängt. Ohne sie könnten wir keine Zusammenhänge erkennen und erfahren, wären nicht lebensfähig. Sinn stellt Zusammenhänge her, sowohl körperlich, geistig und seelisch. 

Insgesamt ein recht anregender Vortrag. Man muss Schmid nicht in allen Punkten uneingeschränkt zustimmen, die Sinnfrage beispielsweise beantwortet Viktor Frankl meines Erachtens überzeugender, jedoch muss man Schmid zugute halten, dass er eine Philosophie betreibt, die für jeden verständlich ist, ohne banal zu sein – verglichen mit dem Geschwurbel einiger prominenter Fernsehphilosophen geradezu wohltuend

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