Die Darstellung der eigenen Arbeit vor den Augen anderer besteht nicht allein darin, unsichtbare Kosten in sichtbare zu verwandeln. In vielen Fällen ist die Tätigkeit einer Person von einem bestimmten sozialen Rang so wenig dazu geeignet, diesen Rang offenbar zu machen, dass der Darsteller einen beträchtlichen Teil seiner Energie auf die Aufgabe verwenden muss, seine Rolle wirkungsvoll zu gestalten, und diese auf Übermittlung gerichtete Tätigkeit verlangt häufig gerade andere Eigenschaften als die, die dramatisch dargestellt werden sollen. So muss etwa der Hausbesitzer, um ein Haus so einzurichten, dass es ruhige und schlichte Würde repräsentiert, auf Auktionen rennen, mit Antiquitätenhändlern feilschen und alle Läden am Ort nach geeigneten Tapeten und Vorhangstoffen durchstöbern. Will er eine Ansprache im Radio halten, die wirklich zwanglos, spontan und natürlich wirkt, ist der Sprecher genötigt, sein Manuskript sorgfältig vorzubereiten und Satz für Satz zu prüfen, um die Aussage entsprechend zu formulieren, sich dem Rhythmus und der Geschwindigkeit der Alltagssprache anzupassen. Ebenso ist ein Photomodell von “Vogue” imstande, durch Kleidung, Haltung und Gesichtsausdruck Verständnis für das Buch auszudrücken, das es in der Hand hält; aber diejenigen, die sich so sehr um den angemessenen Ausdruck bemühen, finden meisten sehr wenig Zeit zum Lesen. ..

So findet sich der Einzelne häufig im Widerstreit zwischen Ausdruck und Handeln. Gerade diejenigen, die genügend Zeit und Talent haben, eine Aufgabe gut zu erfüllen, haben manchmal deswegen weder die Zeit noch das Talent, anderen vorzuführen, wie gut sie sie erfüllen. Man kann sagen, dass einige Betriebsorganisationen dieses Dilemma so lösen, dass sie die dramatische Funktion offiziell einem Spezialisten übertragen, der seine Zeit darauf verwendet, die Bedeutung der Aufgabe auszudrücken, und keine Zeit, sie tatsächlich zu erfüllen.

Quelle: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag

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