Das Geheimnis der britischen Autorität bestand darin, die eroberten Völker in mehr oder weniger separaten Abteilungen zu lassen und die horizontalen Verbindungen unter ihnen auf ein Minimum zu beschränken. Politische Bindeglieder verliefen vertikal, bis zum Schlussstein: dem schmalen britischen Kader an der Spitze. Aber das war nicht alles. Alle Kolonialreiche unterlagen der Gefahr, dass ihre Verwaltungsbeamten eigene lokale Deals schlossen, eine lokale Machtbasis aufbauten, um ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen, sich verheirateten und zu Einheimischen wurden. In Indien und Afrika richteten die Briten eine Sicherung ein, die im Lauf des 19. Jahrhunderts immer stärker wurde: den ethnischen Zusammenhalt ihres administrativen Stahlkorsetts. Ein Überlaufen zu den Einheimischen wurde kulturell bedingt undenkbar. Verstärkt wurde dies durch eine gewisse gesellschaftliche Distanz und die strenge Kodifizierung so gut wie aller Kontakte. Ob bewusst oder nicht, fügte dies der kolonialen Herkunft ein rätselhaftes Element hinzu. Ohne sozialen Kontakt hatten Inder und Afrikaner so gut wie keine Möglichkeit, die Anschauung, Wertvorstellungen und Motive ihrer fremden Herrscher zu verstehen. Das Erraten ihrer Ziele und Absichten erwies sich hingegen als unglaublich schwierig. Das war ein von sich selbst regulierendes, offizielles Geheimhaltungsgesetz, welches den Briten einen Vorteil verschaffte, allerdings zu einem gewissen Preis.
Quelle: Das unvollendete Weltreich. Aufstieg und Niedergang des Britischen Empire 1600 – 1997