Wenn man einen Tatbestand vorliegen hat, der verschiedene Deutungen zulässt, so scheide man diese Deutungen erst einmal in Möglichkeiten und Unmöglichkeiten. Dies bedingt an sich schon eine sehr scharfe und genaue Prüfung der allgemeinen und besonderen technischen Möglichkeiten. Ist dies geschehen, so scheidet man die Deutungen, die technisch unmöglich sind, aus. Die restlichen Möglichkeiten prüfe man auf ihre psychologische Möglichkeit, wobei es allerdings nötig ist, dass man sich in die Psyche des vermutlichen Täters hineinversetzen muss. Es ist ein alter Fehler, der bei dieser Tätigkeit begangen wird, dass man sich fragt: “Wie hätte ich an Stelle des Täters gehandelt?”. Damit stellt man das geistige Niveau des Täters auf das eigene ein. Und dies ist falsch, denn wir wissen nie, ob nicht der Täter ein kriminelles Genie ist oder völlig verblödet.
Quelle: Kriminalistische Denklehre, hrsg. von Nikola Hahn.