Von Ralf Keuper

Wer auf der Suche nach einem Einstieg in das Thema Hermeneutik ist, dürfte mit dem 3Sat-Beitrag Was ist Hermeutik? Philosophisches Kopfkino fürs Erste gut bedient sein.

Ins Spiel gebracht hat den Ausdruck u.a. Friedrich Schleiermacher. Im 20. Jahrhundert war es vor allem Hans-Georg Gadamer, der die Hermeneutik weiter entwickelte.

Wilhelm Dilthey sah die Hermeneutik kritisch, ohne jedoch die Verdienste Schleiermachers (und Christian Wolffs) gering zu schätzen:

Wolfs Forderung, dass die Gedanken des Schriftstellers mit notwendiger Einsicht aufgefunden werden können durch die hermeneutische Kunst, ist schon in der Textkritik und im sprachlichen Verhältnis unerfüllbar. Der Zusammenhang der Gedanken, die Artung der Anspielungen hängt aber von der Erfassung der individuellen Kombinationsweise ab. Die Berücksichtigung derselben ist das Moment, das Schleiermacher in die Hermeneutik zuerst eingeführt hat. Sie ist aber divinatorisch und ergibt niemals demonstrative Gewissheit. (in: Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften)

Sein Verständnis der Hermeneutik drückt Gadamer u.a. im folgenden Zitat aus:

Wenn  man der Hermeneutik folgt, zielt vielmehr jede Anstrengung des Begreifens im Prinzip auf den möglichen Konsensus, das mögliche Einverständnis, ja sie muss selbst schon auf einem verbindenden Einverständnis beruhen, wenn je herauskommen soll, dass man sich versteht. Das ist durchaus keine dogmatische Annahme, sondern eine phänomenologische Beschreibung. Wo nichts verbindet, kann kein Gespräch gelingen. (Klassische und philosophische Hermeneutik, in: Das Gadamer-Lesebuch)

Rudolf Eucken findet anerkennende Worte für den Denker Friedrich Schleiermacher und seine Philosophie:

Vor allem versteht er es, die Glieder der Gegensätze, die sich sonst zu einem schroffen Entweder-oder entzweien, einander zu verketten und sich gegenseitig ergänzen zu lassen. Aus solcher Art entwirft Schleiermacher in seiner „Dialektik“ eine Kunstlehre des Denkens; wie diese so ist seine ganze Philosophie weniger groß im fertigen Ergebnis als in der Belebung und Durchbildung der Gedankenarbeit, im Überschauen, Gliedern, Verbinden, sie ist vornehmlich die Philosophie einer feingestimmten, dabei allseitigen künstlerischen Individualität. Fehlt hier die gewaltige Wucht und die umwandelnde Kraft der konstruktiven Systeme, so ist die platonische Frische und Anmut des Geistes in keinem anderen deutschen Denker so anschaulich wiedererstanden. (in: Die Lebensanschauungen der großen Denker)

Johannes Hirschberger schreibt über die Hermeneutik:

Auch von der heute ebensoviel genannten Hermeneutik kann man sagen, dass sie eine alte Aufgabe darstellt. Schon im logischen Organon des Aristoteles findet sich ein Werk, das diesen Titel trägt. Aber die Hermeneutik von heute zielt auf eine tiefere philosophische Problematik, als sie in bloß schulisch-technischen Methoden zur richtigen Interpretation eines Textes vorliegt. Sie gehört nämlich in den Problemkreis jenes „Verstehens“, um das sich schon Dilthey und Heidegger bemüht haben. Man sucht jetzt nach einem gemeinsamen geistigen Horizont zwischen dem fragenden Subjekt und dem befragten Objekt, der ein Vorverständnis oder Vor-Urteil bedeutet, durch das Verstehen erst möglich wird und woraus sich dann eine Fülle von kritischen Einblicken in die verschiedenen Deutungsversuche ergibt, die aus Geschichte und Umwelt auf uns zukommen. Man könnte nur dort eine Frage stellen, wo man schon ein bestimmtes Wissen mitbringt, wo man Ganzes aus den Teilen und Teile aus dem Ganzen versteht. (in: Kleine Philosophiegeschichte)

 

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