Von Ralf Keuper
Nach Ansicht des Wirtschaftssoziologen Jens Beckert wird die Rolle von Erwartungen bei der Bewertung wirtschaftlichen Handelns unterbewertet. Anders als die Sozialwissenschaften, die sich bei der Erklärung der Gegenwart auf die Vergangenheit stützen, orientiert sich die Ökonomie an der Zukunft, indem sie diese diskontiert bzw. in ihre Kalkulationen/Annahmen einbezieht.  Auf diese Weise schafft die Ökonomie eine Parallelwelt, eine weitere Realität. Ökonomen erzählen demnach Geschichten. Wettbewerb vollzieht sich in erster Linie durch Manipulation von Erwartungen. Ein erfolgreicher Unternehmer ist nach Schumpeter derjenige, der sich veränderte Faktorkombinationen vorstellen kann, noch bevor sie Realität sind. 
Der Finanzmarkt lebt von narrativen Zukunftserwartungen, ja er erzeugt sie. Auf ihm werden vorwiegend kommunikativ konstruierte Werte gehandelt. Werte entstehen aus Erzählungen, von denen die meisten sich langfristig als wahre Fiktion erweisen. Ökonomen betreiben in gewisser Weise Erwartungsmanagement. Die Ökonomie orientiert sich nach wie vor an der Hermeneutik, d.h. im Vordergrund steht, anders als in den Naturwissenschaften, die Interpretation der “Wirklichkeit”.
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