Von Ralf Keuper

In einem Leserbrief in der FAZ (An den Alphatieren kommt niemand vorbei) vom 4.04.17 nimmt Urich Weißer den Konformitätsdruck im heutigen Wissenschaftsbetrieb ins Visier. Dabei erwähnt er u.a. Ludwik Fleck, der mit seinen Veröffentlichungen zum Denkstil bzw. Denkkollektiven das Phänomen des Gruppendenkens bereits vor einigen Jahrzehnten beschrieben hat. Ludwig Fleck ist nebenbei auch der Namensgeber dieses Blogs – Denkstil.

Hier ein Auszug:

In der Universität verläuft die Karriere über Diplom, Promotion, Habilitation. Diese haben nicht etwa den Zweck, zu prüfen, ob jemand eigenständig wissenschaftlich arbeiten kann. Es wird geprüft, ob sich jemand im gewohnten Rahmen hält und ausgiebig die anerkannten Autoritäten zitiert. In jeder Wissenschaft gibt es die Multifunktionäre, die auf jeder Tagung das Eingangsreferat halten, die in der Berufungskommission bestimmen, wer Professor wird und die als Mitherausgeber der Zeitschrift bestimmen, was veröffentlich wird. Kurz: An diesen Alphatieren kommt keiner vorbei.Seit Ludwik Fleck und Thomas S. Kuhn .. wissen wir, dass es in jedem Fach Paradigmen gibt, die als selbstverständliche und unbezweifelbare Grundlage gelten und innerhalb der Gemeinschaft der Wissenschaftler bestimmen, was und vor allem mit welcher Methode erforscht wird. …

Als Beispiel nennt Weißer die Wirtschaftswissenschaften, die hartnäckig an überholten Modellen festhalten, wie am nutzenmaximierenden Homo Oeconomicus:

Als Nutzen gilt jeweils das, wonach sie streben. Der Satz “Alle Verbraucher streben nach Nutzenmaximierung” ist entsprechend Karl Popper .. kein wissenschaftlicher Satz, weil keine Beobachtung angeben werden kann, die diesen Satz falsizifizieren könnte. Es steht logisch auf derselben Stufe wie “Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter, oder es bleibt, wie es ist”. Aus den offensichtlich unzutreffenden oder immer zutreffenden und daher belanglosen Obersätzen werden in der Wirtschaftstheorie kunstvolle Schlüsse gezogen, die aber lediglich auf ihre interne Widerspruchslosigkeit geprüft werden und nicht auf ihre Relevanz.

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