Von Ralf Keuper

Im 14. Jahrhundert forderte der englische Theologe und Priester John Wyclif den Klerus der katholischen Kirche mit seinen Schriften und Predigten heraus.

Es sei, so Wyclif, nicht die Aufgabe der Kirche, Reichtümer anzuhäufen. Damit zielte Wyclif u.a. auf den schwunghaften Ablasshandel, den die katholische Kirche zu jener Zeit betrieb. Später verschärfte Wycliff den Ton gegenüber der Kirche und ihren Lehren. Das Fass zum Überlaufen brachte die Übersetzung der Bibel in die englische Sprache unter der Leitung von Wyclif – eine Revolution. Ein Projekt, das Martin Luther später für die deutsche Sprache in Angriff nahm.

Sätze, wie die folgenden, sorgten dafür, dass der Erzbischof von Canterbury seine Bemühungen verstärkte, den unbequemen Wyclif als Ketzer zu brandmarken und ihn von seinem Lehrstuhl in Oxford zu vertreiben:

Dass es etwas von der großen Masse geglaubt wird, sagt nicht, dass es unbedingt wahr ist. Jeder ist dazu berufen, ein Verwalter Gottes zu sein. … Jeder Mann hat ein Recht dazu, selbst in der heiligen Schrift zu forschen, sie in seiner eigenen Sprache zu lesen, auf dass er lerne, wie er Gott dienen soll. Es reicht nicht, die Auslegung der heiligen Schrift der Kirche zu überlassen.

Mit Forderungen wie diesen würde sich auch heute noch ein Priester oder Theologe schnell ins Abseits manövrieren.

Die Spitze der englischen Kirche reagierte auf die Übersetzung der Bibel ins Englische mit Entsetzen. Der Erzbischof von Canterbury ließ verlauten:

Sollen Gottes Gebote, die uns in der gelehrten Sprache überliefert worden sind, so entwürdigt werden, so ihrer Erhabenheit beraubt und in ihrer Bedeutung so entkräftet werden? Wie soll die gemeine Sprache des gemeinen Mannes ihre Weisheit angemessen übermitteln? Hat nicht der selige St. Augustinus ausdrücklich erklärt, dass es nur für Gottes geweihte Priester erforderlich wäre, die heilige Schrift zu verstehen, dass sie allein dieses heilige Wissen weiter geben sollen? Gott hat den Schatz seines Wortes der Obhut seiner heiligen Kirche anvertraut, damit nicht unwissende Menschen es zu ihrem eigenen Verderben interpretieren sollen.

Wyclif entgegnete auf die Kritik:

Werden nicht einige die heilige Schrift falsch anwenden und auslegen? Ja. Aber würde der Missbrauch verhindert, wenn man die heilige Schrift im Besitz des Klerus und der Kirche belassen würde? .. Es hat den Missbrauch nur gefördert. Wir werden das Wort Gottes Gottes Kindern übergeben und sein Geist wird sie führen. Sie werden Zeit brauchen, um darin zu wachsen und es zu verstehen. Aber ich fürchte mich vor der Strafe, wenn wir es nicht wagen, dieses Wort auszuteilen.

Von Wyclif entscheidend in seinem Denken und Handeln beeinflusst wurde Jan Hus.

Weitere Informationen:

John Wyclif – Ein Kämpfer für Reformen

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