Von Ralf Keuper
Das Auto ist bekanntlich der Deutschen liebstes Kind. Auch das der Kanzlerin, wie generell der Bundesregierung und zahlreichen Landesregierungen häufig nachgesagt wird, der Automobil- und Zulieferindustrie besondere Aufmerksamkeit teilhaftig werden zu lassen. Derweil, so einige Kritiker, verpasse Deutschland den Anschluss an die technologische Entwicklung, wie im Bereich der Digitalisierung.
Erst vor einigen Wochen konnten Kommentatoren ihr Entzücken kaum unterdrücken, als Daimler auf der CES in Las Vegas sein Modell eines selbstfahrenden Autos vorstellte.
Kritiker sehen darin nur den – verständlichen, aber letztlich vergeblichen – Versuch, die Prinzipien des Individualverkehrs in die Digitalmoderne zu überführen. An dem (Premium-)Auto als Statussymbol, das sich die meisten eh nur noch per Finanzierung und/oder als Firmenwagen leisten können, wird nicht gerüttelt.
Wären mittlerweile nicht andere, branchenfremde Unternehmen dabei, in den Markt für selbstfahrende Automobile einzudringen, dürfte die Strategie der Massen- und Premiumhersteller auch künftig aufgehen.
Allein, die Zeichen mehren sich, dass das Mobilitätsverhalten der Menschen sich grundlegend zu wandeln beginnt. Das Auto als Statussymbol genießt unter den heranwachsenden Generationen keinen allzu hohen Stellenwert mehr.
Für Gerhard Matzig ist die Krise des Autos auch die seiner Ästhetik, wie er in der Süddeutschen Zeitung vom 14.11.2014 in Fahr zur Hölle schreibt:
Das Auto könnte heute, der Erfolg der Hybrid-Modelle und der Elektromobilität bleibt ungewiss, an sein Ende gekommen sein – 128 Jahre nachdem Carl Benz den Benz Patent-Motorwagen Nummer 1 wie eine Kutsche aussehen ließ. Zu Ende ist jedenfalls die Faszination. Die Magie. Der Sex. Neuauflagen von Bildbänden wie “Cars & Girls”, auf denen sich Mädchen in delirierender Absicht auf der Motorhaube eines 280 SL oder eines 911ers winden, bezeugen die Erosion eines Zeitalters. …
Die Kundenbetreuer sind geschult darin, dem Abholer zu einem emotionalen Klick zu verhelfen. Warum? Weil die Autos von heute das auch dringend brauchen. Sie sind nicht ansehnlich genug, um aus eigener Kraft zu überzeugen. Die lachhaften Tricks der Autohäuser sind so tragisch wie der Sprühglanz auf Felgen und Rädern, der so schnell verblasst. Tatsächlich steckt das Car-Design in seiner bisher tiefsten Sinn-Krise. Gerade auch in Deutschland.
Damit dürfte Matzig Luigi Colani ein Stück weit aus der Seele sprechen.
In einem Interview im Jahr 2013 erwähnte der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer Google und seine Bestrebungen, im Markt für selbstfahrende PKW Fuss zu fassen, mit keinem Wort. Freilich: Er wurde auch nicht danach gefragt.
Johann-Günther König hält den Traum einer Autogesellschaft ohnehin für ausgeträumt, wie er in seinem Buch Die Autokrise schreibt. In seinem Buch Die Geschichte des Automobils hat er nach Ansicht eines Rezensenten einen weiteren Abgesang auf das Automobil vorgelegt.
Erst kürzlich ließ Daimler-Chef Zetsche wissen, dass Google vielleicht die Automobilindustrie “disrupten” könne, kaum aber zu einem Massenhersteller aufsteigen dürfte. Soeben gesagt, da kommt die Meldung, dass Apple ebenfalls mit dem Gedanken spielt, in das Automobilgeschäft bzw. in das Geschäft mit der Mobilität einzusteigen. Daneben scharren schon diverse Telekommunikationskonzerne, wie SoftBank, und Internetkonzerne wie Baidu, Alibaba und Tencent mit den Hufen. Konsequent, wenn man bedenkt, dass das Auto inzwischen eine mobile Kommunikations- und Medienplattform geworden ist. Klaus Stricker, Autoexperte bei Bain, rät den Autobauern schon jetzt, sich zu verbünden, wenn sie auf Dauer noch eine Chance gegen Apple, Google & Co. haben wollen.
Die genannten Herausforderer sind übrigens bisher nicht damit aufgefallen, sich auf Nischenmärkte zu konzentrieren.
Weitere Informationen:
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Moin:-)
Interessant finde ich den Hinweis auf "Magie" von Matzig. Hat entfernt etwas mit Design zu tun. Und nun kommt das Unternehmen Apple, welches meiner Meinung nach einen Großteil seines Erfolges dem Design und der "Magie" verdankt und verdrängt – vielleicht – das Automobil so wie wir es kennen. Naja hinkt noch etwas, dieser Gedankengang. Auf jeden Fall aber greift aber die Prägung unseres Lebens durch Apple, Google & Co sehr weit und wird zwangsläufig alte Industrien betreffen. Es gibt eben doch Produktlebenszyklen und somit fast zwangsläufig Unternehmenslebenzyklen.
Moin 🙂 Guter Hinweis. Die Automobilindustrie hat die Bedrohung, glaube ich, noch nicht realisiert. Für Deutschland wiegt das um so schwerer, da unsere Volkswirtschaft sehr stark, zu stark, von der (herkömmlichen) Automobilindustrie abhängig ist. Oder anders: Die Pfadabhängigkeit unserer Wirtschaft ist in dem Bereich schlicht zu groß. Das werden die Regionen Stuttgart und München noch sehr deutlich zu spüren bekommen.
und natürlich auch Wolfsburg/Hannover/Braunschweig.
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