Die Landtage waren das Forum und die Schule des deutschen Liberalismus; in ihnen haben sich Programm und Argumentation der Liberalen allmählich konkretisiert, haben sich Richtungen und Flügel ausdifferenziert, ist der Liberalismus aus einer Idee zur Partei und über die öffentliche Resonanz zur Volksbewegung geworden. Die Erfahrung, die die Liberalen machten, war die einer Opposition, war die des Konfliktes; alle inhaltlichen Fragen mündeten immer wieder in die Verfassungsfragen nach dem Gewicht und der Rolle von Parlament und Regierung. Insofern hatten alle Auseinandersetzungen etwas Grundsätzliches; jede Frage gewann die Dimension eines Weltproblems – trotz der kleinstaatlichen Wirklichkeit, in der sich all das abspielte: diese Diskrepanz gehört zu den Eigenarten der Anfänge des deutschen Parlamentslebens. Diese Situation – und die Oppositionsrolle zumal – hat die Neigung zum Doktrinarismus, zur Politik der rechten Lehre tief in unsere entstehende politische Kultur eingeprägt. Und die Liberalen interpretierten diese Erfahrung im Lichte ihrer Lehre vom Dualismus und fühlten sich darin bestätigt: das Gegenüber von Regierung und Volksvertretung, das war offenbar das zentrale Faktum; und die Liberalen hielten an ihrem Selbstverständnis fest, Opposition, Verteidiger der Volksrechte, kontrollierendes Gegenüber zur Regierung zu sein. Die Rolle der regierenden Partei beanspruchten sie nicht.

Quelle: Deutsche Geschichte 1800-1866. Bürgerwelt und starker Staat

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Jens Hacke: “Existenzkrise der Demokratie”